Bezirk – Am Ende der Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) klatschten sich die Verordneten David Jahn (FDP) und Sebastian Billerbeck (CDU) freundschaftlich ab und unterhielten sich noch eine ganze Weile – ohne eine Spur von Aggression. Zuvor jedoch waren sie beim Dauerthema „öffentliche Grillplätze im Bezirk“ verbal aneinandergeraten. Der streitbare Jahn hatte beklagt, dass die drei Elektro-grillanlagen in Lübars, die für 50.000 Euro eingerichtet worden waren, schon seit einiger Zeit defekt seien, aber erhalten bleiben sollten. Grillen sei „ein tolles Angebot für Familien ohne Garten“.
Billerbeck hielt dagegen, das sei „Verschwendung von Steuergeldern“. Grillanlagen gehörten nicht zu den eigentlichen Aufgaben des Bezirksamtes. Er regte Elektrogrillen auf dem eigenen Balkon an. Das führte zu lautstarken Protesten aus den Reihen der SPD, Grünen und FDP. Sevda Boyraci (SPD), die zu diesem Zeitpunkt als stellvertretende Vorsteherin die Sitzung leitete, musste mehrfach zur Ordnung rufen. Der Antrag, öffentliches Grillen wieder in Reinickendorf zu ermöglichen, wurde schließlich mit den Stimmen der CDU und AfD abgelehnt.
Die Natur – insbesondere die Bäume im Bezirk – war immer wieder Thema der BVV-Sitzung im Juni. Ob es um Baumfällungen in der Schildower Straße und am Schäfersee ging, was Einwohner und Einwohnerinnen in der öffentlichen Fragestunde hinterfragten, oder um gefährdete Kastanienbäume: Der Schutz der Natur stand im Mittelpunkt. Unter dem Titel „Es grünt so grün: Reinickendorfs Bäume und Grünflächen schützen und weiterentwickeln“ brachte die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen eine große Anfrage ein.
Insgesamt 24 Fragen hatten die Grünen zusammengetragen, die die zuständige Stadträtin Julia Schrod-Thiel (CDU) ausführlich und gewissenhaft beantwortete. So wurde etwa gefragt, wie viele „Baumkontrolleure/innen“ es im Bezirk gebe. Die Antwort von Schrod-Thiel lautete: vier. Viele genehmigte Stellen seien in ihrem Ressort aufgrund des Fachkräftemangels unbesetzt. Günes Keskin, Co-Vorsitzende der Grünen, mahnte eindringlich zum Schutz der Natur, andernfalls gehe „nicht nur Grün, sondern auch die Zukunft“ verloren.
Der SPD-Verordnete Sascha Rudloff betonte die „emotionale Bindung an Bäume“. Niemand sei „unbetroffen, wenn es um Bäume geht“, sagte er. Gerade deshalb sei es schwierig, in dieser Debatte sachlich zu bleiben. Die Neupflanzung eines Baums koste rund 3.000 Euro. Bei etwa 700 Fällungen pro Jahr würden die Nachpflanzungen rund zwei Millionen Euro kosten – eine große Summe im Vergleich zu den übrigen Aufgaben des Bezirks. Dennoch müsse dringend etwas für die durch Trockenheit und Klimawandel gestressten Bäume getan werden.
Wie emotional aufgeladen die Debatte rund um Bäume und Wald sein kann, zeigte sich auch bei der Diskussion um mögliche Windräder in der Jungfernheide. Diese sollen gemäß den bundesweiten Ausbauzielen für Windenergie errichtet werden, um die Energiewende voranzutreiben. Die CDU brachte dazu eine Dringlichkeitsempfehlung ein, die verhindern soll, dass in der Jungfernheide Windräder gebaut werden.
Vor allem die Grünen mit dem Co-Vorsitzendem Hinrich Westerkamp plädierten dafür, die Frage zunächst in den zuständigen Ausschüssen zu beraten, bevor die BVV darüber abstimmt. Auch SPD-Fraktionsvorsitzender Marco Käber sprach sich für eine Ausschussberatung aus. Er warf der CDU vor, mit ihrer Ablehnung ein „relativ populistisches Signal“ zu senden.
Zwar hatte sich Felix Schönebeck (CDU) zuvor grundsätzlich für die Energiewende ausgesprochen, lehnte aber Windräder in der Jungfernheide ab, da diese „massiv in die Natur“ eingreifen würden. Letztlich setzte sich die CDU mit Unterstützung der AfD durch: Die Dringlichkeitsempfehlung wurde ohne Ausschussberatung verabschiedet.