Die Angst vor der Pleite wird immer größer

Tegelort – „Gastronomie bedeutet für mich, für andere da zu sein“, erzählt der 65-jährige Besitzer des kleinen, idyllisch an der Havel gelegenen, Cafés direkt an der Autofähre. Das Tuskulum ist eins der letzte Ausflugslokale – aber wird es aus dem Winterschlaf erwachen? Oft stürmten bereits im März zahlreiche Ausflügler den Garten. Aber wie wird es dieses Frühjahr sein? Umsatz hätte auch schon am diesjährigen sonnigen Valentinstag generiert werden können, denn Dutzende von Langläufern, Spaziergängern und Eisläufern hätten sich etwas zum Aufwärmen gewünscht. Der ersehnte Verkauf über den Gartenzaun blieb geschlossen. An den ersten Wochenenden nach dem zweiten Lockdown war es noch ein Geheimtipp unter den Spaziergängern, da bot Tuskulum-Inhaber Rainer Schlegel Glühwein, Suppe, Kaffee und Stollen an – und nach dem Verbot des Alkohol-Ausschanks im Freien immerhin noch Kakao und Würstchen. „So hatte ich wenigstens noch das Gefühl etwas zu tun, um nicht depressiv zu werden.“ Zur Vermeidung von Menschenansammlungen muss die Wurst nun verpackt und fernab seines Lokals verspeist werden. „Das funktioniert nicht, die Leute wollen sich treffen und reden“, berichtet Schlegel, der das Tuskulum seit 16 Jahren betreibt. Der Weihnachtsmann steht noch im Vorgarten – nicht mal Lust zum Aufräumen hat er, solange ungewiss ist, wie es weitergeht. „Immerhin hat mir meine Hausbank mit einem Privatkredit geholfen und jetzt vor kurzem kam endlich die Novemberhilfe.“ Wann die versprochene Unterstützung für Dezember eintrifft, bleibt abzuwarten.“ Natürlich konnte auch der Außer-Haus-Gans-Verkauf den Umsatzausfall abgesagter Familien- und Weihnachtsfeiern nicht kompensieren. Wie bei so vielen Gaststätten. In welcher Höhe es Entschädigungen für die Gastronomie für Januar und die Folgemonate geben wird, ist noch ungeklärt. Auf die Frage, wie lange er noch durchhält, kommt die Antwort: „Wenn das Ostergeschäft auch noch ausfallen sollte, muss es im Mai ohne Einschränkungen weitergehen, damit wenigstens Familienfeiern zum Muttertag und Konfirmationen wieder die Kassen füllen, ansonsten muss ich mir Gedanken machen, wie ich pleite gehen will.“ Aber können Schlegel und all die anderen Gastronomen darauf vertrauen, dass die Bevölkerung nach Kurzarbeit und anderen Verlusten noch Geld zum Essengehen haben wird? dsd

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Inka Thaysen

Ursprünglich beim Radio journalistisch ausgebildet, bin ich seit Ende 2018 für den RAZ Verlag tätig: mit redaktionellen sowie projektkoordinativen Aufgaben für print, online, Social Media und den PR-Bereich.