Die Zeit zurückzudrehen, das scheinen Restauratoren zu können. Aber es gibt nicht viele dieser Zauberer. Beispielhaft stehen zwei Restaurateurinnen aus Hohen Neuendorf für eine Zunft, die mit viel Zeit und Mühe geliebte Antiquitäten vor dem Verfall bewahrt und beschädigte Stücke wieder ins Leben zurückholt.
Der Zahn der Zeit macht vor nichts halt. Ob billiges Plastikprodukt aus China oder teures und geliebtes Familienerbstück – alles geht einmal entzwei. Während für die meisten Alltagsprodukte das Motto „Neu kaufen“ gilt, gibt es Dinge, die nicht ersetzt werden können. Ein antiker Holzstuhl, ein Esstisch aus der Gründerzeit oder ein hundert Jahre altes Ölgemälde – das sind Dinge, die nicht neu zu beschaffen sind. Wenn sie beschädigt sind, dann können nur noch Restauratoren helfen. Erstaunlich an ihrer Arbeit ist, dass sie scheinbar die Zeit zurückdrehen können. Für den Laien sehen die reparierten Stücke oft aus wie neu – Pardon: wie alt.
Restauratoren gibt es nicht an jeder Ecke. Natürlich beschäftigen und beauftragen staatliche Museen Restauratoren, um nationale Kunstschätze zu erhalten. Deshalb ist es kein Wunder, dass in der Schlösserstadt Potsdam die Zahl der Restauratoren hoch ist. Im Berliner Norden dagegen gibt es eher wenige dieser Handarbeiter, die einen historischen Schatz oder ein kleines Schätzlein wieder instandsetzen können. Hier lässt sich ihre Zahl beinahe mit fünf Fingern abzählen. Zu ihnen gehört zum Beispiel die Diplom-Restauratorin Stephanie Fischer, die sich in Schildow auf die Reparatur von Kulturgut aus Stein spezialisiert hat. In der Weddinger Schwedenstraße hat sich Diplom-Restaurator Philipp Westebbe mit seiner „Zentralen Restaurierungswerkstatt Berlin“ auf Möbel spezialisiert. In Eberswalde hat die Technikrestaurierung der Diplom-Restauratoren Ulrich Stahn und Eva Wentland einen Schwerpunkt auf Großobjekte gelegt, wie zum Beispiel denkmalgeschützte Industriekräne.

Möbel und Gemälde optisch in ihren Originalzustand zurückverwandeln, das kann in Hohen Neuendorf das Duo Reinhardt und Reinhardt. Das verheiratete Paar restauriert auf 80 Quadratmetern unter dem Namen Dr. Holz. Bei einer Unternehmenspräsentation im Netzwerk Initiative Reinickendorf e.V. stellten die beiden Frauen Anfang dieses Jahres ihr Können vor. Unternehmensgründerin Daniela Reinhardt hat ihr Reich in einem abgetrennten, staubfreien Teil der Werkstatt eingerichtet. Hier arbeitet sie mit Gips, Politur, Schellack und Vergoldung. Und sie mischt Farben, um beschädigte Ölgemälde so auszubessern, dass später nicht mehr zu erkennen ist, wo sie es war, die den Pinsel geschwungen hat und wo vor einem Jahrhundert der Künstler. Seit 39 Jahren bewahrt und pflegt sie Kulturgut. Ihre Frau, die ebenfalls Daniela Reinhardt heißt, arbeitet dagegen in der Holzwerkstatt, wo es laut und sehr staubig zugeht. Hier werden Stühle, Tische, Kommoden zu einem zweiten Leben erweckt. Seit 18 Jahren hobelt und schleift sie antike Möbel. Besonders eindrucksvoll sind die Leistungen der beiden bei Brandschäden in Schwerstfällen. Ein Vergleich von Vorher-Nachher-Fotos zeigt verblüffende Ergebnisse.
Doch Vorsicht. Der Verband der Restauratoren warnt vor falschen Erwartungen, die solche Vorher-Nachher-Vergleiche unter Umständen wecken könnten. So unterscheidet der Verband der Restauratoren zwischen echtem Erhalt und „renovierenden oder rekonstruierenden Tätigkeiten“. Restauration verfolge eigentlich lediglich das Ziel, einen „Zustand zu stabilisieren und weiteren Verfall aufzuhalten oder zumindest zu verlangsamen“, heißt es. Es gehe nicht darum, Objekte wieder wie neu zu machen. So würden gealterte, brüchige Materialien gefestigt, Fehlstellen mit neuem Material ergänzt, Risse geschlossen, chemische Alterungsprozesse modifiziert, heißt es beim Verband. Ziel ist demnach nicht: Aus Alt mach Neu. Sondern: Aus Defekt mach wieder Alt.
Auch Reinhardt und Reinhardt sprechen bei der Führung durch ihre Werkstatt davon, dass es ihr Ziel sei, die von ihren Kunden gelieferten Objekte wieder wie alt aussehen zu lassen. Und sie sagen, dass sie auch Kurse geben. In denen bringen sie handwerklich geschickten Interessenten bei, wie man einen Stuhl ausbessert. Oder ein anderes Kleinmöbel. So kann man sein Verständnis für historische Fertigkeiten vertiefen. Und seinen Respekt vor dem Können der ausgebildeten und nach vielen Jahren geübten Restauratoren.