Bezirk – Den größten Applaus gab es gleich zu Anfang der Aprilsitzung der Bezirksverordnetenversammlung (BVV). „Gestatten Sie mir nun ausnahmsweise einige persönliche Worte an eine für mich sehr wichtige Person, die jetzt am Livestream zuschaut.“ So leitete die Vorsteherin Kerstin Köppen (CDU) die Sitzung ein. Sie gratulierte ihrer Enkelin Lara zum 4. Geburtstag, an dem sie nicht teilnehmen konnte. Die menschliche Geste kam bei den Verordneten gut an.
So einig sollte es nicht bleiben. Schon bei der Resolution gegen die Absetzung des Bürgermeisters von Istanbul, Ekrem Imamoglu, zeigten sich Risse. Eingebracht hatten unter anderem die Grünen und die FDP die Resolution. Auch wenn sie schlussendlich mit Stimmen der CDU angenommen wurde, mahnte ihr Fraktionsvorsitzender Marvin Schulz vor einer Inflationierung dieses Instrumentes der BVV zu Themen, die mit Reinickendorf nichts zu tun hätten.
Dann ging es wieder um den Bezirk. So wurde gefragt, was denn nun aus dem seit langem maroden „Entenkeller“ an der B96 in Frohnau werde. Stadträtin Korinna Stephan (Bündnis 90/Die Grünen) konnte von einem nunmehr vorliegenden Bauantrag berichten und teilte mit, dass das Haus wohl zu größten Teilen zu Wohnzwecken umgebaut werden solle. Sie gab ihren Wunsch kund, dass dies „hoffentlich bald“ geschehe.
Zwischendurch wurde trotz eindringlicher Warnungen der Vorsteherin Köppen wieder an den Mikrophonen am Rednerpult herumgefummelt, was die Übertragung des Tons gefährdete. Ein anderes Mal beeinträchtigte die Leselampe am Rednerpult vor Köppen ihre Sicht auf das Plenum. Um das zu richten, eilte sogar die Bezirksbürgermeisterin Emine Demirbüken-Wegner (CDU) herbei. Sie legte Hand an die Lampe, zur Zufriedenheit der Vorsteherin.
Andreas Otto von der FDP wollte vom Bezirksamt wissen, wie sicher die Brücken im Bezirk seien. Der Stadtrat Harald Muschner (CDU) konnte in Vertretung seiner Kollegin Julia Schrod-Thiel (CDU) nur die verschiedenen Zuständigkeiten für die Brücken aufzählen. Der Bezirk war nicht dabei. Muschner schloss seine Ausführungen zum Zustand der Brücken mit den Worten, er „vertraue den einzelnen Eignern“. Mögen sich die Brücken in Reinickendorf für dieses Vertrauen in ihre Eigentümer mit Standfestigkeit bedanken.
Ein Schwerpunkt der BVV-Sitzung war der Umgang mit der Natur im Bezirk. Dazu auch die aktuelle Folge des Podcast „RAZ aus’m Rathaus“ mit Günes Keskin, Fraktionsvorsitzende Bündnis 90/Die Grünen (siehe auch Artikel auf Seite 5). So ging es um einen Antrag der SPD-Fraktion zur Ausweisung eines Landschaftsschutzgebietes auf dem Gelände der ehemaligen Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik zum Schutze des Wittenauer Stadtwaldes. Letztlich wurde der Antrag nicht angenommen.
Hingegen wurde dem Antrag der CDU für vier Mähaktionen im Jahr in „unseren Parks und auf Grünflächen“ gegen den erbitterten Widerstand der SPD, Grünen, FDP und Linken zugestimmt. Das solle der Sauberkeit und Sicherheit dienen, während die opponierenden Parteien den Schutz der sich frei entfaltenden Natur in den Vordergrund stellten. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Marvin Schulz verabschiedete sich während seines Plädoyers für die „vierte Mahd“ von der BVV. Er ist als Direktkandidat des Wahlkreises Reinickendorf für die CDU in den Deutschen Bundestag eingezogen und wird sich aus der BVV zurückziehen.
Ganz zum Schluss stand erneut die Wahl eines Schriftführers oder einer Schriftführerin an. Wieder bewarb sich die AFD um diese vakante Position. Der Verordnete Marc Bernicke (AFD) stellte sich zur Wahl und wurde bei 50 abgegebenen Stimmen mit 7 Ja-Stimmen (die AFD hatte ursprünglich 6 gewählte Verordnete), 40 Nein-Stimmen und 3 Enthaltungen abgelehnt.