RAZ. Ein Begriff. Zwei Medien.

Bezirkspolitiker Andreas Rietz – Foto: Bertram Schwarz

Drohbriefe an Grünen-Politiker Andreas Rietz

Erstes Ermittlungsverfahren wurde zu Rietz‘ Verärgerung eingestellt – AfD distanziert sich

Reinickendorf – Im persönlichen Gespräch macht Andreas Rietz keinen verängstigten Eindruck. Er ist seit 2011 Mitglied der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) für die Grünen. Im April und Mai bekam er zwei Drohbriefe, ganz offensichtlich aus der rechten Szene. Gelassen legt er die beiden Schreiben auf den Tisch und zitiert daraus: „Du verblendeter Affenarsch …  halt lieber Deine blöde Hetzfresse.“ Im zweiten Schreiben wird auf seine Rede vor dem Restaurant Maestral eingegangen, die er aus Protest gegen eine dort stattfindende Versammlung der AfD hielt: „Unter unterdrückten Lachkrämpfen haben wir uns Dein Geseire angehört … Du kannst nicht(s) dafür, dass du geistig minderbemittelt bist“. 

Im weiteren Verlauf des Briefes wird ihm das „KZ“ angedroht und der Brief endet mit „Tja; mitgegangen, mitgefangen, mitgehangen“. Der oder die Verfasser/in bekennt sich eindeutig zur Unterstützung der AfD: „Sobald die AfD in Regierungsverantwortung gelangt, ist auf ewig Sense für das rot-grüne Volksverätergesocks und die CDU/CSU-Blindgänger ebenfalls.“ Zunächst hatte Rietz bei der Berichterstattung auf Anonymität bestanden. Aber in der öffentlichen Sitzung der BVV im Juni platzte ihm der Kragen.

Die AfD brachte eine Resolution gegen „Bedrohungen Andersdenkender und Angriffe auf politische Gegner“ ein. Diese seien „kein akzeptables Mittel der politischen Auseinandersetzungen“, führte der AfD-Fraktionsvorsitzende Michael Zischka aus. Hoch emotional wies Rietz auf die beiden Drohbriefe gegen ihn hin und sagte, „dass ausgerechnet die AfD sich hier beschützend vor mich als Mandatsträger stellen will, das ist eine Dreistigkeit.“ Die Resolution wurde in der BVV abgelehnt. 

Rietz stellte nach beiden Briefen Strafantrag. Zum ersten Schreiben wurde das eingeleitete Ermittlungsverfahren bereits eingestellt. Rietz war darüber „ziemlich verärgert“. Der zweite Strafantrag läuft noch. Rietz schrieb an den Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU), um ihn zu fragen, warum es offenbar kein besonderes „öffentliches Interesse“ gebe, „den Vorgang von Amts wegen zu verfolgen“. Dieser reichte seine Einlassungen an die Innensenatorin. Von dort meldete sich der „Leiter Leitungsstab“ bei Rietz und versprach, beim Landeskriminalamt nachzufragen. Dann kam die Sommerpause und eine Auskunft steht bisher aus.

Über all das ist Rietz nunmehr doch „verstört“. Auf die Frage, ob er gar keine Angst habe, gibt er zu: „Von Brief 1 zu Brief 2 gibt es eine deutliche Eskalation“. Und weiter: „Man weiß nie, welche nächste Eskalationsstufe droht“. Das könne dann durchaus „in körperliche Gewalt ausarten“. Er erwartet, dass der Staat ein öffentliches Interesse habe, die Strafverfolgung zu betreiben. 

Auf Bitten der AfD-Fraktionsspitze hat er ihr die Briefe nach der BVV-Sitzung ausgehändigt. Zunächst gab es keine offizielle Reaktion. Auf Nachfrage der RAZ schreibt der Fraktionsvorsitzende Zischka, die AfD habe in „Fraktionssitzungen, Vorstandssitzungen und bei unseren Stammtischen…auf diesen Sachverhalt aufmerksam gemacht und uns entschieden von derartigen Handlungen distanziert“. Die AfD werde ein „solch abscheuliches, widerwärtiges Verhalten nicht dulden“. Rietz zeigt sich bei allem Groll zufrieden über die klare und eindeutige Antwort von Zischka. 

Zu Protestveranstaltungen gegen rechts werde er weiterhin gehen. Er wünscht sich, dass die Polizei sich nicht nur für die Demonstrierenden interessiere, sondern auch die Teilnehmenden an den AfD-Treffen „genauer anschaue“.

Bertram Schwarz

Meine erste journalistische Station war die Schülerzeitung meiner Schule, später war ich für verschiedene Zeitungen und Rundfunkanstalten als freier Mitarbeiter tätig, nach dem Studium als politischer Redakteur beim NDR und später als Geschäftsführer verschiedener Medienfirmen. Seit 2019 arbeite ich als freier Autor für die RAZ.