Es ist Samstag, der 13. Januar, genau 13.48 Uhr, als es unweit der Waldkauzstraße und des Schwarzen Weges in Konradshöhe zweimal laut knallt. Die zwei großen Explosionen hallen durch den Wald, die Schwaden verziehen sich nur langsam.
An diesem Wintertag werden drei Bäume gesprengt – eine Eiche und zwei Buchen, die alle 128 Jahre alt sind. „Es handelt sich dabei um Bäume, die teils durch den Borkenkäfer stark geschädigt sind und spätestens im nächsten Jahr gefällt werden müssten, da sie nicht mehr standsicher sind“, erklärt Frank Mosch, Leiter der Revierförsterei Tegelsee. „Doch wir haben gemeinsam mit dem Technischen Hilfswerk (THW) entschieden, diese zu sprengen anstatt sie zu fällen.“ So hätten beide Seiten etwas davon: Der Wald erhalte drei Biotopbäume, die neue Lebensräume bilden, und das THW könne seine wichtigen Ausbildungssprengungen durchführen.
Dabei werden im Rahmen des Artenschutzes lediglich die Kronen in der Höhe zwischen neun und zehn Metern herausgesprengt. „Dies sorgt dafür, dass die Krone abfällt, aber der eigentliche Stumpf, der Hochstubben, zurückbleibt“, erklärt Klas Meyer, der an diesem Tag für die Sicherheitsmaßnahmen verantwortlich ist. „Dieser fasert dann aus und reißt – ähnlich wie bei einem Sturmschaden – am oberen Ende auf. Dadurch entsteht ein neuer Lebensraum für Kleinstlebewesen.“
Weitere Vorteile: Da Vögel eine vereinfachte Anflug- und Landemöglichkeit finden, werden nicht nur weitere Baumsamen, etwa der Vogelbeere, natürlich verbreitet, auch Greifvögel nutzen die Hochstubben für die Mäusejagd. 50 Helfer aus sechs THW-Ortsverbänden samt einer THW-Sprenggruppe aus dem sächsischen Pirna und rund zehn Mitarbeiter des Forstamtes Tegel sind schon früh vor Ort. „Solche Baumsprengungen erfolgen nur alle zwei bis drei Jahre, und sie müssen ganz anders geplant werden als beispielsweise Sprengungen von Gebäuden oder Funktürmen“, erklärt der Leitende Sprengberechtigte Oliver Schultz. Schließlich benötige man zwar deutlich weniger Sprengstoff für Holz, allerdings müssten die Bohrlöcher individuell angebracht werden. „Wir müssen vorher die Beschaffenheit der Bäume untersuchen; danach werden die Lademengen, die Anzahl und die Tiefe der Bohrlöcher berechnet“, sagt Schultz.
Aber der Sperrbereich sei bei Holz mit 300 Metern natürlich deutlich geringer als beispielsweise bei Stahl mit 1.000 Metern. Der Vorteil im Tegeler Forst: Das Sprenggebiet befindet sich mitten im Wald, und es müssen nur kleine Straßen gesperrt werden.
Die erste Besprechung für den Ablauf des Tages erfolgt morgens um 10 Uhr. Es sind 4 Grad und es nieselt. Dabei wird auch mitgeteilt, dass der erste Zündgang die große Buche mit einem Durchmesser von 80 Zentimetern betrifft und der zweite die kleinere Buche und die Eiche. Die Bohrungen waren bereits am 8. Januar erfolgt, und somit liegt nun der Schwerpunkt der Vorbereitung auf dem Einbringen, Verdämmen und Abdecken der Sprengladungen.
Der Sprengberechtigte Stephan Trommsdorf lädt die einzelnen Löcher in luftiger Höhe mit Sprengstoff, verschließt die Löcher, und danach ummanteln THW-Kameraden die Stelle mit Decken und Maschendraht, um den Streuflug während der Explosion zu begrenzen. „Bei der ersten Buche sind sechs Löcher zu befüllen, bei den beiden anderen Bäumen jeweils vier“, erklärt Peter Unterspann, der aus dem THW Reinickendorf heute als Aufsichtsperson Sprengen vor Ort ist. „An den Sprengstoffpatronen sind Sprengschnüre befestigt, die auch mit Sprengstoff gefüllt sind. An deren Ende kommen dann elektrische Zünder. Auf den Knopf drückt dann letztlich der Leitende Sprengberechtigte Oliver Schultz. „Das alles erfolgt heutzutage über eine Funkzündanlage durch einen kleinen Druck auf den Auslöser am Sender und nicht mehr mit meterlangen Zündkabeln und einer Zündmaschine mit Kurbel.“
Dann ist es soweit: Eine Drohne mit Wärmebildkamera fliegt noch kurz über das Gebiet, um auszuschließen, dass sich Menschen im Absperrkreis befinden. Dann ertönt der erste lange Signalton, danach zwei kurze Hornsignale. Und schließlich hören die Kollegen über Funk von Oliver Schultz: „Ich zähle runter von fünf bis eins – fünf, vier, drei, zwei, eins – Zündung Baum 1!“ Und kurz darauf erfolgt der laute Knall der Explosion, die Sprengstoffschwaden umhüllen den Baum, und dann fällt der obere Teil samt Krone der großen Buche zu Boden. In derselben Minute erfolgt auch die Sprengung der Bäume 2 und 3 – der zweiten Buche und der großen Eiche unweit der Waldkauzstraße.
Ein Blick auf die herabgestürzten Baumkronen – und es ist offensichtlich, wie geschädigt die Bäume waren. „Hier unter der Rinde dieser Buche kann man die Fraßgänge der Borkenkäfer erkennen“, sagt Revierförster Mosch. Seine Kollegen von der Revierförsterei räumen mit einem Bagger die auf den Weg gefallenen Kronen und Stämme weg, während die Einsatzkräfte des THW sich auf dem Parkplatz des Strandbades treffen – die heiße Kartoffelsuppe zum Mittag haben sie sich verdient …