Waidmannslust – Selber ist sie nicht gern zur Schule gegangen. Und auch der ursprüngliche Berufswunsch von Angela Garling (63), die aus einer Lehrerdynastie stammt, war ein anderer: Erzieherin. Dann aber wurde sie doch Pädagogin und durchlebte ein Berufsleben mit allem, was dazugehört: Höhen, Tiefen, Lustigem, Tragischem. Das echte Leben eben. Und nun, nach etlichen Berufsjahren, geht Angela Garling, die alle Angie nennen, in den Ruhestand.
Die letzten 37 Jahre hat sie als Lehrerin der Grundschule in den Rollbergen verbracht. Eine spezielle Gegend, die man lieben muss, um sie lieben zu können. Aber auch hier wachsen Kinder heran, die der Schulpflicht unterliegen. Und um die muss sich gekümmert werden, ganz besonders sogar. „Ich wollte immer eher problematische Kinder, denn jedes Kind hat etwas Positives. Das will ich finden“, erzählt die angehende Ruheständlerin bei einem Gespräch noch vor der großen Verabschiedungsfeier am 21. Juni dem RAZ-Reporter. „Damals waren hier mehr polnische Kinder. Heute sind es eher arabische und türkische“, fügt hinzu: „Aber auch die deutschen Kinder hier kommen oft aus Familien mit jeder Menge Probleme. Aber: Es sind immer liebe Kinder.“
Studiert hatte Angela Garling die Fächer Chemie und Arbeitslehre, ist aber froh, dass der Schulalltag sie nicht zwingen konnte, sich darauf zu beschränken. Ihre Liebe gehört der Mathematik, der Kunst und dem Sport. Mehr als zehn Jahre war sie Vorsitzende der Mathematik-Fachkonferenz. Eine Zusatzausbildung als Montessori-Pädagogin ergänzt ihren pädagogischen Werkzeugkasten.
Wichtiger aber noch als die fachliche Kompetenz sind ihre menschliche Wärme, ihre Liebe und ihr Engagement für die Kinder. Deshalb liegen Angela Garling auch die Aktivitäten, die nicht direkt mit dem strikten Unterrichtsgeschehen zu tun haben, so derart am Herzen. Elf Mal ging sie mit ihren Kindern auf Klassenfahrt, mit allem was dazugehört. „Das sind Highlights mit Schlafanzug und Schlafsack. Schlafsack ist übrigens kein Schimpfwort. Das musste auch mal geklärt werden. Und das Thema Nachtruhe ist ein unendliches“, berichtet sie. Dabei konnte sich manche junge Kollegin tolle Tipps abschauen. „Ich habe alle Deine Rituale übernommen“, gestand ihr eine einmal.
Und da ist dann noch eine Vielzahl an Projekten: Zirkus, Einsatz in der Bahnhofsmission, Mitgestaltung der Vernissage des Künstlers Ali Görmez oder die Teilnahme an der Fashion Week, inklusive des Auftritts der Jungen auf dem Laufsteg. Und das ist nur eine kleine Auswahl. Große Bedeutung hat das Thema Ernährung. „Ich freue mich schon, wenn die Kinder überhaupt etwas zum Frühstück mit in die Schule bringen“, kann Angie auch kleinen Schritten in die richtige Richtung etwas abgewinnen. Das alles wirkte. Der Vater von Hicham etwa drückt es so aus: „Mein Sohn hat zwei Mütter, eine zu Hause und eine in der Schule.“
Und so stapeln sich im Wohnzimmer Teddybären, Kerzen, Glückwunsch- und Dankeskarten und jede Menge anderer materialisierter Dankesgesten. „Ich hebe alles auf“, sagt Angie, die auch heute noch jedes Kind bei Namen kennt, wenn es auf einem der vielen Erinnerungsfotos zu sehen ist.
„Das wird hart, jetzt nicht mehr helfen zu können. Aber ich habe genügend Ideen für den Ruhestand“, schaut Angela Garling in die Zukunft.
Lutz Teiche