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See mit Blick auf das Ufer
foto: mvo

Ein Sommerloch am Flughafensee

Unsere Kolumne von Melanie von Orlow

Das Sommerloch in Berlin bringt allerlei Blüten – die Löwenjagd in Kleinmachnow ist unvergessen und in diesem Jahr hat auch Reinickendorf sein Schmankerl: Eine offizielle Hundebadestelle am Flughafensee.

Ein kurzer Blick in die Geschichte von Reinickendorfs wohl bekanntestem „Geheimtipp“: Seit der Einstellung des Kiesabbaus 1978 wurde das damals noch hinter Zäunen versteckte Biotop vornehmlich von Freunden der Freikörperkultur und Avifauna besucht, ehe der Geheimtipp dann in der Abendschau auftauchte. Pfingsten 1982 wurde das Biotop dann von NABU-Mitgliedern und anderen Naturfreunden besetzt, um den großen Run durch den löcherigen Zaun zu stoppen und die wertvolle Vogeloase vor Ruderbootverleih, Wasserpark und Café zu schützen. 

Sie bekamen ein Vogel- und Landschaftsschutzgebiet an dem einen Ende, Badefreunde und Angler den Rest. Seither scheint es immer die Natur zu sein, die ihre Bedürfnisse rechtfertigen und verteidigen muss: Badende hämmern munter Stege und Hütten ins Landschaftsschutzgebiet und ignorieren nachdrücklich jedes Betretungsverbot aufgrund der Gefahr von Böschungsrutschungen. Derweil paddeln die SUP-Fans munter in das Vogelschutzgebiet und beschäftigen die Ehrenamtlichen des NABU mit der Aufklärung über Sinn und Zweck eines Vogelschutzgebietes.

Dank eines unwilligen Eigentümers (die BIM) und eines noch unwilligeren Verkehrssicherungspflichtigen (der Bezirk Reinickendorf) bleiben seit Jahren alle wirksamen Maßnahmen aus, um das Chaos etwas zu ordnen. Die als Abtrennung des Schutzgebiets über Jahrzehnte bewährte Bojenkette wurde abgebaut und müsste erneuert werden, doch der Bezirk steckte das Geld lieber in ein sinnfreies Zaunprojekt, um das Böschungsbetretungsverbot durchzusetzen. Jeder tagsüber gebaute Meter wurde allnächtlich wieder von renitenten Nutzern abgebaut, bis das Steuergeld verbraucht worden war und die Posse beendet wurde. 

Nun also die nächste Idee: eine Hundebadestelle! Gerade hier, wo es kaum genug Platz für die Badenden, Angelnden und Brutrevier-suchenden Vögel und aus guten Gründen ein Hundeverbot gibt, sollen sich noch die Hundefreunde von halb Berlin legal sammeln dürfen und das Chaos perfektionieren. Dass auch hier bei entsprechenden Starkregenereignissen die für Hunde giftigen Blaualgen Party feiern: geschenkt! Dass der Tegeler See gleich um die Ecke nicht nur mehr Uferabschnitte und bessere Parkmöglichkeiten für so ein Projekt böte: who cares?

In der Skala der abwegigsten Ideen für den Flughafensee kommt der Vorschlag zwar nicht an erster Stelle (den Ehrenplatz gebührt der Vorschlag, hier eine Wasserskianlage mit Seilzug zu errichten), doch wenn man schon dabei ist, darf ich auch mal eine äußern: Wie wäre es mit einem Naturschutzgebiet, der das Vogelschutzgebiet wie auch die Heidelandschaft umfasst und endlich mal für echten Naturschutz sorgt? Diese verrückte Idee wurde vom Berliner Abgeordnetenhaus übrigens schon 2016 beschlossen. 

Melanie von Orlow

Melanie von Orlow ist als Autorin, Biologin und Imkerin Teil des RAZ-Teams. Beim NABU Berlin engagiert sie sich für den Natur- und Artenschutz in der Stadt.