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Marlies Wanjura – Foto: fle

Eine engagierte Christdemokratin

Marlies Wanjura, Reinickendorfs Bezirksbürgermeisterin a. D., ist mit 79 Jahren verstorben

Marlies Wanjura wurde 1995 als erste Frau an die Spitze des Bezirksamtes gewählt – und leitete die Geschicke Reinickendorfs 14 Jahre lang als Bezirksbürgermeisterin. Am 22. Oktober ist die CDU-Politikerin im Alter von 79 Jahren  verstorben. 

1995 übernahm sie das Amt von SPD-Politiker Detlef Dzembritzki, 2009 gab sie es an ihren Parteikollegen Frank Balzer ab. „Wir trauern heute um Marlies Wanjura, eine erfolgreiche Bezirksbürgermeisterin, eine engagierte Christdemokratin und eine starke und herzliche Frau. Ihr Wirken und ihr beispielloses Engagement für Reinickendorf und die CDU werden uns stets in dankbarer Erinnerung bleiben. Sie hat den Bezirk in ihrer Amtszeit wesentlich geprägt. Meilensteine wie die mehrfache Auszeichnung als wirtschaftsfreundlicher Bezirk und der Ausbau des Tourismus sind nur wenige Beispiele ihrer erfolgreichen Amtszeit“, sagt Frank Balzer. 

Detlef Dzembritzki äußerte sich zum Tod von Marlies Wanjura gegenüber der RAZ: „Mit Trauer habe ich die Nachricht vom Tode Marlies Wanjuras erhalten. Die Gedanken gehen zurück an die gemeinsame Zeit in den 90er Jahren im Bezirksamt und an die Amtsübergabe Ende 1995. Marlies Wanjura war eine streitbare Kollegin, die zielstrebig ihren Weg verfolgte, aber die Kollegialität im Bezirksamt schätzte. Wirtschaft und Tourismus lagen ihr als Bezirksbürgermeisterin besonders am Herzen, und gern erinnere ich an zwei markante Beispiele. Mit großem Engagement unterstützte sie die Ertüchtigung des Borsig-Hafens, um dort auch größte Schwersttransporte zu ermöglichen, was für den Industriestandort notwendig war. Die Greenwichpromenade wurde mit der Anlage eines Kreuzfahrtterminals außerordentlich aufgewertet und mit dem Hotelschiff können die Berlinerinnen und Berliner seitdem die europäischen Metropolen ansteuern. Auch privat mochte sie das Wasser und schwärmte von ihrem Boot und den Touren durch die Berliner und Brandenburger Gewässer. Meine Gedanken sind bei ihrem Ehemann und ihrer Familie.“

Zu Ehren und in Gedenken an Marlies Wanjura wird in der zweiten Etage des Foyers des Bezirksamtes am Eichborndamm ein Kondolenzbuch ausgelegt. Wer darin Gedanken, Erinnerungen und Beileidsbekundungen eintragen möchte, kann das Montag bis Freitag jeweils von 9 bis 17 Uhr tun.

Frau mit „positiver Penetranz“

RAZ-Reporterin Christiane Flechner über Marlies Wanjura

Bezirk – Wenn ich an Marlies Wanjura denke, dann denke ich an eine Frau, die die Erste war: die erste Bezirksbürgerin von Reinickendorf nach vielen Männern, die dieses Amt innehatten. Ich habe sie in meiner Zeit bei der Wochenzeitung „Der Nord-Berliner“ kennenlernen dürfen. Ich schrieb Artikel über sie und erlebte sie bei Sitzungen der Bezirksverordnetenversammlung, bei Jubiläen, Preisverleihungen und Presseterminen. Sie hielt Reden und redete gern – und laut. Ihre Sätze beendete sie grundsätzlich nicht, sondern hing nur weitere Satzanfänge an. 

Marlies Wanjura bei einer Modenschau im Seniorenheim. Foto: fle

Ihre Stimme war unverwechselbar – und immer zu hören. Aber sie hörte auch zu und hatte ein offenes Ohr – für uns Journalisten und für die Menschen im Bezirk. Einmal im Monat lud sie die Lokaljournalisten in ihr Büro ein, um mit ihnen über Bezirksthemen zu sprechen. Und sie war oft in aller Munde – und das nicht nur, weil sie sich etwa aus dem Rathausfenster abseilte oder mit Gipsbein im August 2006 beim Aktionstag „Alter, Wohnen, Pflege“ in den Borsighallen im Rollstuhl erschien. Sie bewegte einiges und war bei vielen auch über die Grenzen Reinickendorfs hinaus äußerst beliebt. Sie sagte von sich, sie habe eine „positive Penetranz“ und prägte den Satz „Reinickendorf – in Berlin ganz oben“. Ein Kreuzfahrtterminal für den Tegeler See? „Geht nicht, gibt’s nicht“ war ihre Devise. Und so setzte sie ihre Ziele auch gegen Widerstände durch, galt sogar als Eiserne Lady – und sorgte für Kontroversen im Bezirk. 

Auch ihre Thailandreise nach dem -Tsunami 2005 wurde in der Bezirksverordnetenversammlung heiß diskutiert. Ich reiste eine Woche lang als Journalistin mit ihr und buddhistischen Mönchen durch Thailand, um zu den Orten zu fahren, die der Tsunami am schlimmsten getroffen hatte. Es war eine emotionale Reise; und besonders das Treffen mit Waisenkindern, die ihre Eltern durch die Katastrophe verloren hatten, gingen ihr und mir sehr nah. Sie wollte Gutes tun, als sie Spendengelder an die neuen Waisen übergab. Doch es wurden schwere Vorwürfe gegen sie erhoben, ob die Spenden der Bürger auch wirklich an der richtigen Stelle ankamen. Unter Druck geriet sie auch beim Ausbau des Borsighafens. 2009 trat sie als Bezirksbürgermeisterin zurück. Es wurde mit den Jahren stiller um sie. Doch vergessen hat man sie nie.

Christiane Flechtner

Christiane Flechtner ist seit mehr als 30 Jahren als Journalistin und Fotografin in Reinickendorf und auf der ganzen Welt unterwegs. Nach 20 Jahren bei der Lokalzeitung Nord-Berliner ist sie seit der ersten Ausgabe mit im Team der Reinickendorfer Allgemeinen Zeitung und anderer Verlagsmedien. Sie arbeitet außerdem als freie Journalistin und Fotografin bei „Welt“, Berliner Zeitung und anderen Zeitungen in Deutschland, Österreich und Luxemburg sowie für u. a. Reise-, Wander- und Tiermagazine.