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Menschen mit Fahrrädern und Fahnen im Dunkeln bereiten sich auf die Demo vor
Start der Demonstration am Rathaus Reinickendorf. Foto: fle

„Eine komplette Rolle rückwärts“

Engagierte Radfahrer demonstrieren gegen den Stillstand bei Ausbau der Infrastruktur

Wittenau/Bezirk – Es war schon dunkel, als die rund 50 Radfahrer sich vom Rathaus Reinickendorf – klingelnd und mit viel Frust im Bauch – auf den Weg machten. Unter dem Motto „Wo bleibt die Verkehrswende in Reinickendorf? Mehr Sicherheit für Radfahrende!“ veranstaltete das Netzwerk Fahrradfreundliches Reinickendorf (NFR) am 12. November eine Fahrrad-Demo entlang der kritischen Radfahr-Strecken durch den Fuchsbezirk. 

Der Frust könnte derzeit nicht größer sein. Mathias Adelhoefer bringt es auf den Punkt: „Es ist ja nicht so, dass es nur einen Stillstand gibt, sondern eher eine komplette Rolle rückwärts“, erklärte der Co-Gründer und Sprecher des Netzwerks. Das Resignationslevel bei den Radfahrern sei sehr hoch, denn seit den Wiederholungswahlen sei nichts passiert. Im Gegenteil: „Wir sehen eine Rückwärtsbewegung“, sagt Adelhoefer.  Die Defizite im beschaulichen Bezirk seien riesig, was die Fahrradfreundlichkeit betrifft. Und umso wichtiger sei es, „ein Zeichen an die scheidende Bezirksregierung zu senden, dass wir extrem unzufrieden sind.“ Der späte Termin an jenem Mittwoch war bewusst gewählt worden, denn zu diesem Zeitpunkt waren die Bezirksverordneten auf ihrem Weg zur monatlich stattfindenden Bezirksverordnetenversammlung (BVV) – und kamen an den Demonstrierenden vorbei.

Zu Beginn der Rad-Demo ließ es sich auch Stadträtin Korinna Stephan nicht nehmen, ein paar Worte zu sprechen: „Ich hatte von 2021 bis 2023 für eineinhalb Jahre auch das Verkehrsressort inne, und in dieser Zeit sind zwölf Kilometer Radwege umgesetzt worden, darunter die Heiligensee-, die Konrads-
höher, die Ollenhauerstraße und auch der Edelhofdamm als erste Fahrradstraße Reinickendorfs“, sagt die Grünen-Politikerin. Nun müsse es weitergehen mit den nächsten fahrradfreundlichen Maßnahmen. Das sehen auch die anwesenden Radfahrer so: Mit der Teilnahme an der Fahrraddemo bringen sie zum Ausdruck, dass der Ausbau der Radinfrastruktur schnell weitergehen muss. 

Die 7,5 Kilometer lange Demonstrations-Strecke führte vom Rathaus Reinickendorf über den Nordgraben und die Oranienburger Straße in die Ollenhauerstraße, wo Thomas Rost bei einem kurzen Halt seinem Ärger über die ab 2027 geplanten vierjährigen Umbaumaßnahmen Luft machte. Diese sehen vor, den Mittelstreifen zu verschmälern und dann Fahrspuren und Hochbordradwege zu versetzen – auf Kosten der insgesamt 118 knapp 50 Jahre alten Bäume, die dann gefällt werden müssen. Kostenpunkt für die Baumaßnahme: 14.5 Millionen Euro. 

„Warum der Eingriff so massiv sein wird, erklärte mir die Stadträtin Julia Schrodt-Thiel damit, dass die Straßenoberfläche und der Untergrund der Ollenhauerstraße so schlecht seien“, sagte der engagierte Radfahrer. Doch er selbst findet: „Der jetzige Zustand sei nicht optimal, aber erträglich.“ Was aber gar nicht gehe: Millionen von Steuermitteln in unsinnige Baumfällungen und Tiefbauarbeiten zu versenken! 

Nach dem Stopp ging es weiter zur Lindauer Allee und dann über Roedernallee, Oranienburger Straße und den Oraniendamm bis zum S-Bahnhof Waidmannslust.

Die Radfahrer forderten an der Roedernallee endlich den bereits geplanten Radstreifen. Außerdem fordern sie die Realisierung einer Diagonalsperre im Waldseeviertel, die die Durchfahrt für den Kfz-Verkehr blockieren und für Verkehrsberuhigung sorgen soll. Der Beschluss zu diesem Thema war vor fünf Jahren in der BVV einstimmig erfolgt, doch geschehen ist bis heute nichts. Aus diesem Grund haben Anwohner mit Unterstützung des Vereins Changing Cities e.V. gegen die Untätigkeit des Bezirksamtes Klage eingereicht, das Urteil steht noch aus.

Christiane Flechtner

Christiane Flechtner ist seit mehr als 30 Jahren als Journalistin und Fotografin in Reinickendorf und auf der ganzen Welt unterwegs. Nach 20 Jahren bei der Lokalzeitung Nord-Berliner ist sie seit der ersten Ausgabe mit im Team der Reinickendorfer Allgemeinen Zeitung und anderer Verlagsmedien. Sie arbeitet außerdem als freie Journalistin und Fotografin bei „Welt“, Berliner Zeitung und anderen Zeitungen in Deutschland, Österreich und Luxemburg sowie für u. a. Reise-, Wander- und Tiermagazine.