RAZ. Ein Begriff. Zwei Medien.

Zwei Frauen vor einem Schaufenster
Inhaberin Ute Lehmann (r.) mit ihrer Mitarbeiterin Antoneta Stryti im Jubiläumslook. Foto: as

Friseurin auf dem Kiez

An Aufhören denkt Ute Lehmann auch nach 40 Jahren noch nicht

Die Stammkunden kommen, auch wenn sich die Zeiten ändern oder mal das Telefon ausfällt. Dank der Treue der Kundschaft existiert Ute Lehmanns Friseursalon seit 40 Jahren. Doch der Schlusspunkt ist damit noch nicht gesetzt.

Am 2. Mai 1985 hat sich Ute Lehmann selbstständig gemacht, einen Friseursalon in der Weddinger Reinickendorfer Straße übernommen und gleich vom ersten Tag an losgearbeitet. „In den 80er Jahren waren Termine noch nicht so üblich wie heute“, erklärt die 68-jährige Friseurmeisterin. Auch beim 40. Geburtstag genau am 2. Mai dieses Jahres wurde gearbeitet. „Wenn am Nachmittag ein Kunde kam und gefragt hat, ob er schnell dran kommen kann, haben wir Ja gesagt.“ Aber am Vormittag wurden im Laden Tische aufgereiht und es gab ein Sektfrühstück. Für die Stammkunden. „Wir kennen viele unserer Kunden. Die meisten, die zu uns kommen, sind Stammkunden“, sagt Ute Lehmann.

Dass sie Friseurin werden würde, war für sie früh klar. Verwandte, die damals in dieser Branche arbeiteten, rieten Ute Lehmanns Mutter, ihrer Tochter den Berufswunsch auszureden. „Aber für mich war klar: Friseurin ist der beste Beruf der Welt“, sagt Ute Lehmann noch heute entschieden. Seit 1972 geht sie ihm nach. Zunächst machte sie eine Ausbildung. Im Alter von 24 Jahren legte sie 1981 die Meisterprüfung ab und arbeitete zunächst angestellt weiter, bis sie vor 40 Jahren in die Selbstständigkeit wechselte. In diesen vier Jahrzehnten blieb sie stets im Weddinger Osramkiez, zog nur einmal wegen einer Sanierung von der Reinickendorfer Straße in die Oudenarder Straße um. „In der langen Zeit waren manche als Babys in meinem Laden, die jetzt selber Kinder haben“, blickt die Kiezfriseurin zurück. Ja, der Kiez habe sich schon verändert. Er sei internationaler geworden, viele Studenten seien in den letzten Jahren hergezogen. Und einige ihrer Stammkunden leben nun in einer nahegelegenen Seniorenanlage. Und bei den Frisuren nehme leider die Zehn-Finger-Schüttelfrisur zu. So nennt sie Haarschnitte, die kein Legen, Flechten oder Hochstecken erfordern. Nur noch selten, wenn Hochzeiten anstehen, komme ein Wunsch nach einer „richtigen Frisur“. Die „Dauerwelle habe ich noch von der Pike auf gelernt“, erzählt sie.

Ihr Wissen hat sie an 28 Lehrlinge weitergegeben. Bis 2009 war sie Ausbildungsbetrieb. Eine von ihnen ist Antoneta Stryti, die mittlerweile seit Jahrzehnten bei ihr arbeitet. Seit 36 Jahren kennen sich die beiden Frauen. Als Ute Lehmann ausbildete, habe sie immer Wert darauf gelegt, dass die Lehrlinge lernen, dass zum Friseurberuf Sport gehört, sagt die Meisterin. Schnell könne die Arbeit auf die Knochen gehen. So müsse man stets darauf achten, gerade zu stehen.

Offenbar hat sie sich selbst an diese Regeln gehalten, denn sie wirkt froh und munter, denkt nicht ans Aufhören. Dabei könnte sie in Rente gehen. Doch: „Das Alter ist ungewiss und unberechenbar, ich kann nicht sagen, ich mache noch fünf Jahre weiter“, erklärt Ute Lehmann. „Ich entscheide von Jahr zu Jahr.“ Und das klingt so, als ob sie lieber später als früher Schluss machen wolle. „Meine Arbeit ist mein Hobby“, sagt sie fröhlich. Sie komme auch nach 40 Jahren noch immer gern ins Geschäft. „Ich wollte etwas für meine Kunden tun“, beschreibt sie ihre Motivation. Und offenbar ist der Funke übergesprungen. Die Stammkunden bleiben ihr treu. Sogar dann, wenn wegen Bauarbeiten die Telefonleitungen beschädigt sind und der Salon nicht angerufen werden kann wie zurzeit. Wie in den 1980er Jahren schauen die Kunden vorbei, fragen, ob gerade eine Lücke ist oder lassen sich in das große, bewährte Kalenderbuch eintragen.

Andrei Schnell