Tagtäglich werden auf der ganzen Welt Millionen von Babys geboren. In Berlin sind es rund 90 Neugeborene pro Tag. Einige von diesen kleinen Wesen werden von Janis Schedlich betreut. Die Frohnauerin ist Hebamme und arbeitet seit 2001 selbstständig in der Schwangerenvor- und -nachsorge im Bezirk Reinickendorf. Sie kümmert sich rund zwei Jahre um die Schwangere, das Neugeborene und dessen Familie. Auch die Beikost-Beratung, wenn das Kind das erste Essen entdecken darf, gehört als Schwerpunkt zu ihrer Arbeit. Doch sie weiß aus eigener Erfahrung: „Es wird immer anspruchsvoller, den Bedürfnissen von Familien in dieser Phase gerecht zu werden. Die psychosoziale Unterstützung im Wochenbett und in der Zeit nach der Geburt ist meist unzureichend und erschwert den Start mit dem Neugeborenen.“ Dabei sei genau diese erste Phase im Leben immens wichtig. „Wir alle wurden einmal geboren, und die Bedingungen, wie der Start ins Leben von einer Gesellschaft gestaltet wird und welche Rahmenbedingungen sie dafür schafft, prägen unser ganzes Leben“, erklärt sie.
Der Wunsch nach mehr Zusammenarbeit
Was ihr in ihrer Arbeit als selbstständige Hebamme über die ganzen Jahre fehlte, war der Austausch mit anderen Kollegen: „Als selbstständige Hebamme arbeite ich immer allein – und das geht vielen anderen auch so“, erzählt sie. Zwar kenne sie seit vielen Jahren die Namen der Kinderärzte und Kolleginnen in ihrem Bezirk, aber ihre Gesichter kennt sie meist nicht. „Das bedeutet: Wir alle bleiben Einzelkämpfer, und jeder arbeitet so vor sich hin – dabei haben wir doch alle dasselbe Ziel – nämlich das Wohl des Kindes und seiner Familie. Das steht im Mittelpunkt unserer Arbeit.“
Ein Stammtisch für die Familiengesundheit
Und so fragte sich die engagierte Hebamme: Warum könnten nicht alle besser zusammenarbeiten, gemeinsam an einem Strang ziehen, sich miteinander besser austauschen und kurze Wege der Kommunikation nutzen? Alle unterschiedlichen Berufsgruppen an einen Tisch zu holen – von den Hebammen über die Gynäkologie, Pädiatrie, Physiotherapie, Ergotherapie, Psychologie und Logopädie bis zu verschiedenen Organisationen und Verbänden wie das Netzwerk Frühe Hilfen, das Jugendamt. „Unser Ziel ist dabei, die Zusammenarbeit aller Berufsgruppen rund um Familiengesundheit in Reinickendorf zugunsten der Familien zu steigern. Es zeugt eben von Professionalität, wenn man sich gegenseitig respektiert und Hand in Hand zusammenarbeitet“, fügt sie hinzu.
Aus einer Idee wird Realität
Und so wurde aus der Idee Wirklichkeit: 2022 lud sie erstmals zu einem Interprofessionellen Stammtisch ein – und rund 20 Personen kamen. Dieser Stammtisch war sofort erfolgreich und zog noch mehr Kolleginnen und Kollegen aus dem Arbeitsumfeld an. Er findet seitdem zweimal jährlich statt. Die Treffen haben sich aus einem reinen Kennenlern-Treffen nun zu thematischen Treffen mit Impulsvorträgen entwickelt. So standen Themen wie Vitamin-D-Prophylaxe, Allergieprävention oder der so genannte NIPT-Test – ein Bluttest, mit dem sich in der Schwangerschaft kindliches Erbgut auf die Trisomien 13, 18 und 21 untersuchen lässt – im Fokus der einzelnen Treffen. Es ist auch immer ausreichend Zeit für Besprechungen und Supervision. Außerdem werden die Themen für das nächste Treffen ausgesucht.
Eine Erfolgsgeschichte in Reinickendorf
„Die Treffen werden von allen hoch geschätzt, und ich bemerke positive Veränderungen in der Zusammenarbeit. Uns allen macht das Arbeiten und auch das Zusammenarbeiten mehr Spaß und ist effektiver, seit wir uns persönlich kennen. Unsere Arbeitsqualität wird gesteigert. Wir und die betreuten Menschen profitieren davon“, freut sie sich. „Zum letzten Treffen im September, das im Alten Fritz an der Karolinenstraße stattfand, sind sogar 40 Personen gekommen und haben sich über die verschiedenen Themen intensiv ausgetauscht. Auch das Netzwerk Frühe Hilfen war wieder dabei“, fügt sie hinzu.
Ein einzigartiger Stammtisch in Berlin
Inzwischen hat Janis Schedlich die Ausbildung zur Qualitätszirkel Moderatorin absolviert und ist bemächtigt, Teilnahmebescheinigungen für ihre Kolleginnen und Kollegen auszustellen. Um die Fortbildungspunkte für die Ärztinnen und Ärzte kümmert sich ein Kinderarzt.
Was sie auch ein wenig stolz macht: „Unser Stammtisch ist einmalig in Berlin. Bisher ist es noch nicht geglückt, so viele verschiedene Berufsgruppen immer wieder an einen Tisch zu bekommen.“ Ihr Wunsch wäre, wenn wir noch mehr Kolleginnen und Kollegen zusammenbrächten, die alle maßgeblich an einem guten Start ins Leben beteiligt sind. Denn Familien liegen uns doch alle gleichermaßen am Herzen.“ Und vielleicht gibt es ja auch Nachahmer, die einen solchen Stammtisch in anderen Bezirken aufbauen wollen. Gerne gibt sie Tipps.
Nächstes Treffen im März 2025
Das nächste Treffen ist schon in Planung und wird im März 2025 stattfinden. Wer daran teilnehmen möchte (bitte nur medizinische Personen, keine Privatpersonen), kann sich per Mail unter info@hebammeberlin.berlin anmelden.