Wittenau – Seit Anfang April hat der Bezirk eine „Koordinatorin zur Prävention von Kinder- und Familienarmut“. Es ist Cindy Franke, die mit ihren 36 Jahren auf drei Studiengänge und viel Erfahrung im sozialen Bereich zurückblicken kann. Nach dem Abitur absolvierte sie zunächst ein duales Studium der Betriebswirtschaftslehre bei einer Bank, bei der sie später auch arbeitete. Doch schon bald bemerkte sie, dass „das nicht meine Branche ist“. Sie nahm ein Studium für „Public Health“ in Schweden auf und arbeitete danach als wissenschaftliche Mitarbeiterin. Zu guter Letzt studierte sie Sozialpädagogik und fand ihre Berufung. Im Jugendamt Pankow wirkte sie dreieinhalb Jahre und sammelte viel Verwaltungserfahrung.
Die wird sie auch brauchen, weil es bei ihrer neuen Aufgabe um das „Vernetzen“ der bereits existierenden Angebote im Bezirk geht. Sie soll eine „Integrierte bezirkliche Strategie“ entwickeln und regelmäßig über Kinder- und Familienarmut berichten. Aber ihr Motto ist: „Hier geht es um Menschen.“ Sie will zu denen, die unter Armut leiden, direkten Kontakt aufnehmen. Nach Auskunft der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie leben „rund ein Viertel der Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren in Berlin in relativer Einkommensarmut“.
Genaue Zahlen für Reinickendorf liegen noch nicht vor. Franke definiert „Kinderarmut“ für unter 15-Jährige, die in einem Haushalt leben, in denen zumindest ein Teil der Eltern Bürgergeld bekomme, also auf die Hilfe des Staates angewiesen ist. Sie spricht von unterschiedlichen „Sozialräumen“ im Bezirk, die sich weitgehend mit den Ortsteilen decken. Besonders problematisch sei die Situation in der Rollberge-Siedlung, dem Märkischen Viertel, rund um die Auguste-Viktoria-Allee und in Reinickendorf Ost. Aber sie betont, dass Kinderarmut auch in anderen Teilen Reinickendorfs anzutreffen sei.
Franke untersteht dem Jugendstadtrat Alexander Ewers (SPD), der sich freut, sie „mit ihrer Expertise im Kollegium und in meiner Stabsstelle begrüßen zu dürfen“. Gemeinsam wolle er mit ihr „eine gute Präventionsstrategie in Reinickendorf verankern“ und die „geballte Kompetenz im Bezirk bündeln“. Ewers weise seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen immer wieder darauf hin, dass das „Jugendamt ein Dienstleister“ sei. Seine Aufgabe sehe er hauptsächlich darin, „Menschen zusammenzubringen“. Er sagt: „Das gelingt im Augenblick relativ gut.“ Für ihn sei die Sprachentwicklung bei jungen Menschen ein besonders wichtiges Thema. 60 Prozent der Kinder in Reinickendorf hätten einen „Migrationshintergrund“.
Franke fügt hinzu, dass es darum gehe, zu Angeboten zu leiten, um die deutsche Sprache zu lernen. Sie will sich auch um die „Übergänge“ im Leben von jungen Menschen kümmern. Das sei die Zeit, in der Kinder von der Kita in die Schule kommen und von der Schule in den Beruf eintreten. Sie bezieht sich auf die „Berliner Strategie gegen Kinder- und Familienarmut“. Dort wird viel Wert auf die „Prävention“ gelegt. Als übergeordnete Ziele werden „Teilhabe, Bildung, gesund aufwachsen und materielle Versorgung“ genannt. Auch von „Stigmatisierung“ spricht sie. Als Beispiel führt sie an, was ein Kind fühle, wenn nach den Sommerferien in der Schule nach den Urlaubserlebnissen gefragt werde, die Familie sich aber keine Reise leisten konnte.