Der Krieg in der Ukraine geht an niemandem spurlos vorbei – auch an den Kleinsten der Gesellschaft nicht. Er macht Angst, wirft viele Fragen auf und macht auch sprachlos. Um den Grundschülerinnen und -schülern der Franz-Marc-Schule an der Treskowstraße die Möglichkeit zu geben, in Aktion zu treten und dadurch ein Zeichen für den Frieden zu setzen, wurde kürzlich gemeinsam mit dem Kollegium, der Schulleitung und Lehrern der Willkommensklassen, Schülerinnen und Schülern der Grundschule am Tegelschen Ort, der Bettina-von-Arnim-Oberschule und Kindern der Kitas Lieblingskinder ein besonderer Aktionstag organisiert.
Die Kinder und Jugendlichen bastelten Friedenstauben und verwandelten den Bürgersteig in der Treskowstraße in ein riesiges Kunstwerk – bemalt mit Friedenszeichen, Flaggen und Botschaften gegen den Krieg. „Wir wollen, dass dieser Aktionstag regelmäßig stattfindet – vielleicht einmal pro Jahr“, erklärt Olivier Rakotovao vom Träger „Lieblingskinder“, der im Bereich der Schulsozialarbeit eine Kooperation mit der Schule hat. Er nennt es ein „überaus wichtiges Zeichen – nicht nur nach außen, sondern auch für alle Schülerinnen und Schüler, aber auch das Kollegium und die Eltern.“
Eine weitere Aktion fand am 28. April auf dem Schulhof statt: Bunte Fingerabdrücke auf einem Friedensgraffiti – viele Schülerinnen und Schüler machten mit diesem individuellen Zeichen deutlich: Wir sind für den Frieden!
„Wir haben 360 Schülerinnen und Schüler an unserer Grundschule und zurzeit zwei Willkommensklassen mit syrischen, afghanischen und bulgarischen Kindern“, erklärt Schulleiterin Bettina Münch. „Und nun sind in der vergangenen Woche auch fünf ukrainische Kinder im Alter von acht bis elf Jahren hinzugekommen – weitere werden folgen.“ Auch sie setzte mit ihrem Daumenabdruck ein Zeichen. „Das Bild wird künftig den Eingang unserer Schule zieren – ein besonderer Hingucker mit einer tollen Botschaft“, fügt sie abschließend hinzu.
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„Unsere Ohnmacht spüren die Kinder“
Tegel – In Aktion gehen, etwas Sinnvolles tun, ein Zeichen setzen – Schülerinnen und Schüler der Franz-Marc-Grundschule an der Treskowstraße traten in Aktion, machten einen Aktionstag zum Frieden und setzten mit ihren Fingerabdrücken an einer Graffiti-Wand ein Zeichen für den Frieden auf der ganzen Welt. Die RAZ sprach mit Sozialpädagogin Uta Görlitz, die die Aktionen organisiert und durchgeführt hat.
Wie entstand das Projekt?
Entstanden ist dieses Projekt im Zuge des Angriffskrieges auf die Ukraine. Das hat uns alle sehr erschüttert und beschäftigt. Viele waren besorgt, es gab auch unter den Schülerinnen und Schülern Aufruhr. Wir von der Schulsozialarbeit haben uns dann Gedanken gemacht. Schließlich reden wir Erwachsenen darüber, schauen uns Medien an und beschäftigen uns damit, währenddessen die Kinder immer nur Bruchteile mitbekommen. Zudem wird das Thema Krieg vor den Kindern teilweise verschwiegen, um sie zu schützen – was allerdings nicht unbedingt der richtige Weg ist. Denn Kinder haben ganz viele Fragen, und die Erwachsenen sind oft überfordert, wie sie das schwierige Thema angehen. Wir selbst sind oft sehr ohnmächtig dabei, aber diese Ohnmacht spüren eben auch die Kinder.
Was haben Sie dann gemacht?
Ich habe mich gefragt, was unsere Kinder dringend brauchen. So habe ich festgestellt: Sie brauchen Raum, um Fragen zu stellen und darüber zu reden. Und unsere Aufgabe ist es, sie dort abzuholen, wo sie gerade stehen. Es geht dabei nicht um politische Hintergründe, sondern um Allgemeines, um Ängste, um Gefühle allgemein, ums Zuhören.
Daraus resultierte der Aktionstag zum Frieden?
Wir wollten den Kindern Erleichterung schaffen. In Aktion zu treten mit kleinen Tätigkeiten reicht oftmals schon aus, aus einer Ohnmacht oder einem Schock herauszukommen. Zeichen zu setzen und für irgend etwas gemeinsam als Gruppe einzustehen, gibt Zuversicht und Kraft. Da wir auch Kinder mit Flucherfahrungen aus Syrien oder Afghanistan an der Schule haben, war es doppelt wichtig, sie mit den Kriegsbildern im Fernsehen nicht allein zu lassen, sondern die negativen Nachrichten in einer mutmachenden Aktivität zu verarbeiten. Das macht Hoffnung. Und deshalb haben wir gemeinsam mit dem Kollegium, der Schulleitung und Lehrern der Willkommensklassen sowie dem Träger Lieblingskinder e.V. den Aktionstag zum 31. März, unserem alljährlichen Vorlesetag, organisiert.
Was ist dort geschehen?
Wir haben unter anderem Friedenstauben gebastelt, Banner bemalt und T-Shirts beschriftet, aber auch den Gehweg vor der Schule mit Kreide bemalt und auch Friedenszeichen im Öffentlichen Raum hinterlassen. Aber mit einer 6. Klasse sind wir auch inhaltlich ins Thema eingestiegen. Wir haben recherchiert, wo überall auf der Welt noch Krieg herrscht. Und es sind aktuell 29 Länder, in denen aktuell Kriege oder bewaffnete Konflikte vorherrschen. Zu diesen unterschiedlichen Ländern haben die Kinder Plakate und Vorträge vorbereitet. Mit dabei waren Länder, von denen sie zuvor noch nie etwas gehört haben und die neben der Ukraine nicht vergessen werden dürfen – und die Schülerinnen und Schüler waren sehr konzentriert und motiviert bei der Sache.
Wie ist der Aktionstag bei den Kindern angekommen?
Sehr gut, alle waren super interessiert und sehr engagiert. Aus diesem Grund wollen wir einen solchen Aktionstag für den Frieden auch regelmäßig einmal pro Jahr durchführen.
Was geschah nun zusätzlich am 28. April an der Schule?
Graffiti-Künstler hatten uns ein Friedensbild gesprayt. Dieses Bild wollten wir nun noch vervollständigen – und zwar mit bunten Fingerabdrücken der Schülerinnen und Schüler. So konnten sie noch einmal ihren persönlichen Fingerabdruck als Zeichen für den Frieden hinterlassen. Das haben wir nun am 28. April in einer Pause auf dem Schulhof durchgeführt – und die Kinder waren begeistert dabei. Kinder müssen verstehen, warum Frieden wichtig ist und wie wichtig Verständnis und Empathie für andere Menschen und Flüchtende sind. Denn nur durch Mitgefühl und Offenheit kann Diskriminierung vorgebeugt werden – und da sind wir mit diesem Projekt auf einem guten Weg.
Danke für das Gespräch.
Interview C. Flechtner