Hermsdorf – Die Holzdielen im dritten Stock des Museums Reinickendorf sind abgetreten. Hier hat Sabine Ziegenrücker seit dreieinhalb Jahren unter dem Dach ihren Sitz als Leiterin des Fachbereichs Kunst und Geschichte von Reinickendorf. Sie ist promovierte Kunsthistorikerin und eine Frau, die sich mitteilen möchte. Es stört sie, dass zu wenige in Reinickendorf die Arbeit ihrer acht Mitarbeitenden wahrnehmen. Immerhin betreibt sie mit ihrem Team das Museum in Alt-Hermsdorf, drei Gedenkorte, zwei Galerien und die Graphothek im Märkischen Viertel.
Ziegenrücker ist voller Tatendrang. Sie will nicht jammern über zu wenig Geld. Aber einen festangestellten Historiker für das Museum hätte sie schon gern. Immerhin hat sie seit dem Sommer 2024 einen Bibliothekswissenschaftler, der sich um das angesammelte Archivwissen über Reinickendorf kümmert. Und die Geschichte geht sehr viel weiter zurück als auf die Gründung des Bezirks nach dem Groß-Berlin-Gesetz 1920.
Stolz zeigt sie den Raum für Vor- und Frühgeschichte im Erdgeschoss. Das dort ausgestellte Diorama vom Tegeler Fließ erklärt die „ältesten Spuren menschlichen Lebens in Berlin“. Allerdings gefällt ihr der Nachbau eines Fellzeltes von Nomaden überhaupt nicht. Die Behausung sei „muffig“ und soll so bald wie möglich weg. Dann werde in diesem Raum eine Begegnungsstätte entstehen, die Gegenwart und Vergangenheit zusammenführt.
Die Fachbereichsleiterin möchte mit möglichst vielen Bürgerinnen und Bürgern in den Diskurs eintreten. Themen gebe es in diesem vielgestaltigen Bezirk genug. Am 3. Dezember eröffnet eine Ausstellung über „Straßennamen in Reinickendorf und ihre Geschichte“ im Museum Reinickendorf. Der Zusatztitel lautet: „Umbenennen?!“. Immer wieder gibt es Diskussionen um Straßennamen aus dunkler Vergangenheit. Ziegenrücker sieht sich eher in dem nachdenklichen Lager, dass nicht sofort und überall umbenennen möchte. Es müsse „immer der Einzelfall sehr genau angeschaut werden“.
So sehr ihr die Geschichte Reinickendorfs am Herzen liegt, so richtig zum Aufblühen kommt sie bei den Kunstausstellungen im Bezirk. Sie möchte, dass Kunst als „Standortfaktor auf dem Radar“ der Bezirkspolitik sei. Ziegenrücker findet lobende Worte für das Engagement von Kultur-Stadtrat Harald Muschner (CDU), aber drängt auf weitere Aktionen. Sie sieht einen „Zug gen Norden“ von Künstlerinnen und Künstlern, denen die Innenstadtlage für ihre Ateliers zu teuer wird. Sie ist dringend dafür, diese Entwicklung in Richtung Reinickendorf zu unterstützen.
Sobald Ziegenrücker anfängt, über Kunst zu reden, ist alles „komplex“ und ihre schnellen Worte drohen sich gegenseitig zu überholen. Lange hat sie für die bis zum 30. November laufende Ausstellung „Tales of the Dark Days“ gearbeitet. Die Bilder und Objekte setzen sich „mit den Traumata der deutschen, israelischen und jüdisch-deutschen Geschichte“ auseinander. Sie betont, dass die Idee dazu aus der Zeit vor dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 stamme. Der „aufklärerische Aspekt“ der Ausstellung sei „nicht tagespolitisch zu verstehen“. Um dann hinzuzusetzen, dass es heute „um jüdische Menschen in Deutschland ganz einsam bestellt“ sei.
Viele Bilder erschließen sich dem Betrachter nicht ohne eingehende Erklärung. Ziegenrücker zeigt sich kämpferisch. Bei der Qualität der Kunst sei sie „nicht kompromissbereit“. Reinickendorf habe es verdient; „hochkarätige Kunst gezeigt zu bekommen“. Das alles sei nicht „wirtschaftlich gebunden“ und werde „entgeltfrei“ angeboten. Mit Sabine Ziegenrücker hat der Bezirk eine Fachfrau, die sich nachdrücklich für Kunst und Geschichte einsetzt.






![PTT_NSG_Banner_TopMag_300x250px[1]](https://raz-zeitung.de/wp-content/uploads/2024/10/PTT_NSG_Banner_TopMag_300x250px1.jpg)