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Eine Frau an einem Tisch mit Papieren
Jenny Quedens mit der Familienchronik in ihrem Haus in Frohnau. Foto: bs

Recherchen über den Opa

Jenny Quedens hat sich auf Spurensuche begeben

Frohnau/Tegel – Auf den Knien von Jenny Quedens liegt die Familienchronik. Sie umfasst die Jahre von 1610 bis 1953. Sie lebt seit 2005 in Frohnau, ihre Familie stammt von der Nordseeinsel Amrum. Ihre Eltern sprachen noch Friesisch miteinander. Ihr Großvater leitete die Poststelle in Nebel, bis er 1940 als Soldat eingezogen wurde. Ein Foto aus der Zeit zeigt ihn als Gefreiter bei der Flak mit zwei weiteren Soldaten im Landkreis Kleve. Erst 1948 kehrte er aus der Kriegsgefangenschaft in Kroatien wieder zurück nach Amrum. Die ganzen Jahre über war er kein einziges Mal zu Hause. 

Über diese Zeit wurde später im Familienkreis nicht gesprochen. Johannes Quedens starb 1984. Enkelin Jenny hat ihn noch als Kind und Jugendliche erlebt. Jetzt möchte sie mehr über ihren Großvater erfahren. Sie ist studierte Bibliothekarin und die Suche nach Quellen bringt ihr Freude. Bei ihren Recherchen im Internet stieß sie auf das Bundesarchiv mit der Abteilung „Deutsches Reich“ in Tegel, Am Borsigturm 130. Auf der Website heißt es, dass das Archiv 80 Jahre nach Ende des 2. Weltkrieges Auskunft gibt über das Schicksal von Wehrmachtsangehörigen und Kriegsgefangenen.

Die Entwicklung dieses Archivs ist selbst Zeugnis der bewegten deutschen Geschichte. Die Genfer Konventionen legten 1929 fest, dass jeder Krieg führende Staat „bei Beginn von Feindseligkeiten nationale amtliche Auskunftsstellen über die auf ihrem Gebiet befindlichen Kriegsgefangenen einzurichten“ habe. So nachzulesen auf der Website des Bundesarchivs. Sechs Tage vor dem Beginn des 2. Weltkrieges wurde in Nazi-Deutschland am 26. August 1939 eine solche Stelle eingerichtet. Das ist die Kernzelle des heutigen Archivs in Tegel über Schicksal von Kriegsgefangenen und Soldaten. 

Nach dem Krieg bezog die „Deutsche Dienststelle für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen Deutschen Wehrmacht“ 1951 ihre Räume in der Deutsche Waffen- und Munitionsfabrik in Borsigwalde. 2019 zog diese Dienststelle unter dem neuen Namen „Bundesarchiv, Abteilung Deutsches Reich (DR)“ nach Tegel in ein großes Bürohochhaus Am Borsigturm. Seitdem können dort Informationen über Menschen in der Zeit des 2. Weltkriegs angefordert werden.

Quedens stellte zunächst eine schriftliche Anfrage und bekam die Antwort, sich bitte zu gedulden und nicht telefonisch nachzufragen. Sie bewies viel Geduld. Erst ein Dreivierteljahr später hakte sie nach und erhielt einen Monat darauf die Rechercheergebnisse zu ihrem Großvater schriftlich.

Demnach sei Johannes Quedens 1940 zur „Stabs-Batterie Flak-Ersatz-Abteilung 51“ eingezogen worden und sei später zum „Stab gemischt Flak-Abteilung 706“ gekommen. Für Informationen über die „Einsätze der Truppenteile“ möge sich die Fragestellende an das „Militärarchiv des Bundesarchivs in Freiburg“ wenden. Zudem wurde sie darauf hingewiesen, dass weitergehende Rechercheaufträge kostenpflichtig seien. Für die bisherigen Nachforschungen würden keine Gebühren anfallen.

Ein wenig hat Quedens so über ihren Großvater erfahren, ihre Neugier ist jedoch längst nicht gestillt. Besonders interessiert sie die Zeit seiner Kriegsgefangenschaft in Kroatien. Sie erhielt den Hinweis, sich an den DRK-Suchdienst in München zu wenden. Ein erstes Telefonat habe sie bereits geführt. Sie will weiter forschen und eventuell auch einmal persönlich das Bundesarchiv in Tegel, „Abteilung Deutsches Reich“, besuchen. So leicht lässt sich eine Bibliothekarin nicht abschütteln.

Bertram Schwarz

Meine erste journalistische Station war die Schülerzeitung meiner Schule, später war ich für verschiedene Zeitungen und Rundfunkanstalten als freier Mitarbeiter tätig, nach dem Studium als politischer Redakteur beim NDR und später als Geschäftsführer verschiedener Medienfirmen. Seit 2019 arbeite ich als freier Autor für die RAZ.