Vor 500 Jahren wurde Anna Sydow geboren – ihr Name wäre heute längst vergessen, hätte sie sich nicht auf eine Beziehung mit dem zwanzig Jahre älteren Kurfürsten von Brandenburg Joachim II. eingelassen, die für sie jedoch kein gutes Ende nahm.
Seine erste Ehe ging Joachim bereits ein, bevor Anna Sydow überhaupt auf der Welt war. Im Alter von 18 Jahren heiratete er Magdalene von Sachsen. Zur pompösen Hochzeit reisten 1524 Gäste an. Die Trauung nahm Albrecht von Brandenburg vor, der Onkel des Bräutigams, der als Erzbischof von Mainz einer der mächtigsten Männer des Heiligen Römischen Reiches war. In die Geschichte ging der recht weltlich orientierte Geistliche als prominenter Gegenspieler von Luther ein. Der scharfe Widerstand des Reformators gegen den Ablasshandel, der reuigen Christen die Vergebung ihrer Sünden im Gegenzug zu einer Spende an die Kirche versprach, machte sie zu erbitterten Gegnern. Denn diese Einkommensquelle war für Albrecht durchaus von Bedeutung, da sein Lebensstil enorme Summen verschlang – etwa für Gemälde von Cranach.
Der Segen, den Albrecht seinem Neffen und dessen Braut spendete, brachte dem Paar nur begrenzt Glück. Magadalene gebar zwar in den zehn Jahren ihrer Ehe sieben Kinder, von denen erreichten jedoch nur drei das Erwachsenenalter. Kurz nach der Geburt eines Sohnes starb sie im Alter von nur 26 Jahren.
Damit war Magdalene der Titel einer Kurfürstin von Brandenburg versagt geblieben, da Joachim erst ein Jahr später das Amt seines Vaters erbte. Er heiratete im gleichen Jahr, im September 1535, in Krakau die Tochter des polnischen Königs. Hedwig gebar ihrem Gatten vier Kinder. Anfangs war es wohl eine glückliche Ehe.

Die recht rauen Vorstellungen des Kurfürsten von vergnüglichem Zeitvertreib schildert Theodor Fontane in seinen „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ im Kapitel „Die Seeschlacht in der Malche“. Der Herrscher hatte seine Untertanen in aller Herrgottsfrühe aus dem Schlaf geschreckt: „Liebe Kinder, Spandower! Ihr habt wohl wer weiß was gedacht, dass ich euren Bürgermeister entführt und überhaupt euch so in Alarm gebracht habe. Indessen ist es so schlimm nicht. Es ist nichts weiter, als dass ihr euch heute mit den Berlinern zu Wasser und vielleicht auch zu Lande schlagen sollt. Waffen liegen dort, und Brustharnische und Helme auch; diese nehmt. Der Bürgermeister wird alles weiter anordnen, und wehrt euch tapfer!“ Zwei Stunden dauerte das Gefecht mit über 50 Schiffen, das unentschieden ausging. Die spätere Schlacht zu Lande zog sich vom Nachmittag bis in die Nacht. Der Kurfürst, dessen Pferd einen Speer abbekommen hatte, lobte die Spandauer: „Kinder, ihr habt euch brav geschlagen!“
Seine Frau Hedwig verletzte sich 1549 bei einem Unfall das Becken so schwer, dass ihre Beweglichkeit erheblich eingeschränkt blieb. Sie konnte ihren Mann nicht mehr auf seine heißgeliebten Jagdausflüge begleiten und auch nicht mehr ihren ehelichen Pflichten nachkommen. Da trat Anna Sydow, die „schöne Gießerin“ genannt, ins Leben des Kurfürsten. Fortan wurde sie zur Frau an seiner Seite, wenn auch ohne Segen der Kirche. Anna war mit dem Geschützgießer Michael Dieterich verheiratet, mit dem sie drei gemeinsame Kinder hatte und der 1561 starb; ein Jahr darauf bekam die Witwe einen Sohn vom Kurfürsten, der auf den Namen Andreas getauft wurde, jedoch schon im Alter von sieben Jahren verstarb.
Der Historiker Johann Carl Conrad Oelrichs hat für seinen Band „Beyträge zur Brandenburgischen Geschichte“ von 1761 gründliche Quellenforschung betrieben. In seiner Chronik finden sich die ausführlichsten Angaben zu Anna Sydow. Überliefert ist auch der leichte Unmut in der Bevölkerung über die Liaison des verheirateten Mannes, der sich ganz offen mit Anna zeigte. Laut vernehmbar sollen abfällige Bemerkungen gemacht worden sein: „Ist die unsers gnädigsten Herrn unrechte Frau? Sind das die unrechten Kinder? Wie darf’s er thun und wir nicht.“ Worauf der Kurfürst zu Anna gesagt haben soll: „Kanst du nicht bey Seite gehen.“ Ansonsten hatte ihn das Gerede jedoch wenig geschert.
Joachim II. legte den Grundstein für den Kurfürstendamm
Auch was den Staatshaushalt betraf, zeigte sich Joachim II. eher unbekümmert und führte einen aufwendigen Lebensstil, durch den er mit der Zeit einen immensen Schuldenberg anhäufte. Aufgrund der Geldnot förderte er die Ansiedlung von Juden in Brandenburg, um sie mit besonders hohen Steuern belegen zu können.
Zu seinen kostspieligen Projekten gehörte auch das Jagdschloss Grunewald, in dem Anna mehrere Jahre lang lebte. Joachim war es übrigens, der den Grundstein für den Kurfürstendamm legte, als er einen Reitweg vom Jagdschloss zur Berliner Stadtresidenz anlegen ließ.
Seiner Anna schenkte der großzügige Liebhaber das Dorf Rosenthal, das an ihren Sohn gehen sollte. Aus berechtigter Sorge um die Zukunft seiner Mätresse und ihrer gemeinsamen Tochter Magdalena im Falle seines Todes verfügte der Kurfürst, dass eine Summe von 10.000 Talern „an unsere liebe Getreue Annen Sydows, Michael Ditrichs etwan unsers Zeugmeisters und Gießers gelassene Witwe alß die Mutter, oder ihre Erben kommen, und fallen solle“.
In seinem Testament von „Sonnabends nach Pfingsten Anno 1561“ traf der Herrscher auch gleich Vorsorge für den Fall, dass nach seinem Ableben ein weiteres Kind unterwegs sein könnte – „es sey gleich ein Sohn oder Tochter“.
Für „unsere Tochter Fräulein Magdalena“ forderte er eine angemessene Aussteuer und ging dabei ins Detail: „Soviel als ihr Standt und künftige Heyrath erforderth wird… In Kleinodien Halsßbänder, einen güldenen Halsßband mit Edelgestein… goldene Ketten glatt und krauß wie die einer Gräffin eigen, 16 güldene Ringe wie die einer Gräffin gebühren.“

Ihm war wohl klar, dass sein ältester Sohn, der ihn beerben würde, über diese Ausgaben wenig erfreut sein würde und nahm ihn daher gründlich ins Gebet. Er erwartete, dass „unser freundlicher lieber Sohn … sich dieser unser Verordnung gehorsahmlich gemäß verhalten werde“. Trotz aller Zusagen wurde der letzte Wille von Joachim nicht erfüllt – für Anna sah die Zukunft düster aus. Der neue Kurfürst Johann Georg ließ die „schöne Gießerin“ wegen Erpressung anklagen und sperrte sie in den Juliusturm der Zitadelle Spandau.
Dabei kam sie noch besser davon als Lippold Ben Chluchim. Dem Mann für die Finanzen des Hofes ging es nun an den Kragen. Johann Georg brachte den jüdischen Vertrauensmann seines Vaters wegen Unterschlagung vor Gericht. Bei der Verhandlung kam jedoch nicht das gewünschte Urteil zustande. Chluchim wurde freigesprochen, was ihm jedoch nicht viel nützte. Denn bald darauf wurde er der Zauberei bezichtigt – um der schmerzhaften Folter zu entgehen, unterschrieb er ein Geständnis, das seine Hinrichtung zur Folge hatte, die durch Rädern und Vierteilen dennoch entsetzlich qualvoll ausfiel.
Johann Georgs Halbschwester Magdalena wurde mit dem Finanzbeamten der Hofrentei Andreas Cohlen, verheiratet. Ihre Mutter Anna starb in der Zitadelle in Gefangenschaft im Alter von 50 Jahren. Das Volk muss das Schicksal der Mätresse des Kurfürsten wohl als ungerecht empfunden haben, denn bald gab es Gerede darüber, was wohl mit der Toten geschehen sei. Mit den Jahren entwickelte sich die Legende, sie sei als „weiße Frau“ nachts ihrem Peiniger erschienen. In einer Variante heißt es sogar, sie sei im Jagdschloss Grunewald eingemauert worden.
Wiederentdeckung des Wohnturms
1998 wurden bei Grabungen im Auftrag des Wohnungsunternehmens Gewobag Mauerreste gefunden, die für Staunen sorgten, ein fünf mal fünf Meter großes Fundament aus Feldsteinen (Foto). An dieser Stelle stand einst ein Wohnturm. Diese trutzigen Bauwerke wurden im Gegensatz zu den Wehrtürmen nicht für militärische Zwecke errichtet. Obwohl sie mit ihrer festungsartigen Konstruktion ebenfalls Schutz bieten sollten, wurden sie von den Mitgliedern aus dem niederen Adel vor allem aus Statusgründen erbaut. Das robuste Gemäuer musste nach über drei Jahrhunderten dem Lustschloss weichen, das offenbar keine hundert Jahre Bestand hatte.
Durch die archäologisch interessante Entdeckung konnte die Gewobag ihr Bauvorhaben nicht verwirklichen und entschied sich zum Verkauf des Grundstücks. Der Immobilienkonzern NCC errichtete Reihen- und Doppelhäuser, die genügend Platz ließen, um den historisch wertvollen Fund der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Eine Tafel vor Ort erklärt die Geschichte dieses Fundaments.
Ein Dorf und seine Geschichte
Von 1356 stammt eine erste Erwähnung als Rosendalle, das über ein Jahrhundert zuvor als Angerdorf entstanden war. Aus jener Zeit stammt auch noch die alte Dorfkirche.
Im Landbuch von Kaiser Karl IV von 1375, in dem alle Orte Brandenburgs verzeichnet sind, ist die Familie von Krummensee als Grundherr eingetragen. Durch Tauschhandel gelangte Michel Hape von Hapenberg in Besitz des Gutes, das 1567 erstmals in den Besitz der Hohenzollern gelangte.
Unter der Familie von Götz vergrößerte sich das Gut durch Zukauf. Der Dreißigjährige Krieg, der 1648 endete, ging allerdings auch an Rosenthal nicht spurlos vorüber; die Entvölkerung machte sich dadurch bemerkbar, dass viele Höfe lange brach lagen. Als der Ort Ende des 17. Jahrhundert wieder in den Besitz der Hohenzollern gelangte, ließ Kurfürst Friedrich III. ein Lustschloss bauen. Obwohl zwei Zeichnungen davon existieren, ist bis heute nicht ganz klar, wie das später abgerissene Gebäude wirklich ausgesehen hatte, da beide Darstellungen deutlich voneinander abweichen. Am Gebrauch des Schlosses zum reinen Vergnügen hatte der praktisch veranlagte Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. kein Interesse, sondern ordnete die reine landwirtschaftliche Nutzung an.
1871 entstand südöstlich die Landhaussiedlung Nordend und zwei Jahrzehnte später im Südwesten die Siedlung Waidmannslust, die 1920 bei der Entstehung Großberlins Reinickendorf zugeteilt wurde, während Rosenthal Pankow zugeschlagen wurde. Erst 1902 erhielt die Kirche ihren markanten Turmanbau.