RAZ. Ein Begriff. Zwei Medien.

Eine Frau und ein Pferd
Sandra Ehlers, Schatzmeisterin beim LRV Tegel, beim diesjährigen Reitertag am 25. Mai.

Schule oder Pferdesport?

Verein LRV Tegel wird nicht widerspruchslos verschwinden

Tegel – Die Pferdefreunde des Ländlichen Reitverein Tegel (LRV Tegel) bangen um ihr Gelände am Waidmannsluster Damm. Die Eigentümerin, das Bezirksamt Reinickendorf, kündigte unerwartet den Pachtvertrag.  Zum Ende des Jahres soll hier mit dem Reitbetrieb Schluss sein – ab 2027 soll auf dem Gelände eine Schule gebaut werden (Die RAZ berichtete). 

Der  25. Mai stand dann aber doch im Zeichen von Mut, Trotz und Hoffnung: Beim jährlich stattfindende Reitertag ließen sich die mehr als 60 Reiterinnen und Reiter die Stimmung nicht verderben. Sie trugen ihre Wettbewerbe in den verschiedenen Kategorien aus – die ganz kleinen Anfänger beim Führzügel-Wettbewerb und die Fortgeschrittenen im Dressurreiten. 

Der vor 42 Jahren gegründete kleine Verein will die Kündigung nicht widerspruchslos hinnehmen. Denn er stelle etwas Besonderes in Tegel dar, erklärt Schatzmeisterin Sandra Ehlers: „Unser Verein ist eine grüne Oase in der Stadt, wir sind wie eine große Familie.“ Dabei betreibe der LRV Tegel auch nicht den klassischen Leistungssportbetrieb. Es gibt lediglich eine Angestellte, einige Trainer und Stallkräfte – ansonsten kümmern sich die rund hundert Mitglieder und ihre Familien ehrenamtlich um die 18 Pferde und den Reitbetrieb. „Wir haben hier etwas Besonderes geschaffen, und das wollen wir bewahren – vor allem jetzt, wo es in kulturellen und sozialen Bereichen viele Kürzungen gibt“, ergänzt Vereinsmitglied Nina Klein. Ihre Tochter Hedi hat hier Reiten gelernt, die Kleine liebt diesen Ort. „Ich will mein Lieblingspferd Kiki weiter reiten. Hier ist es toll“, sagt die Sechsjährige.

Am 27. Dezember 2024 lag die Kündigung des Pachtvertrages für das Grundstück auf dem Tisch. Das Bezirksamt  plant auf dem Areal ab 2027 den Bau eines Förderzentrums mit dem sonderpädagogischen Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung. „Das Bezirksamt hat den Mietvertrag zum 31. Dezember 2025 gekündigt, obwohl bislang kein Bebauungsplan für den Schulbau beschlossen wurde“, sagt Schatzmeisterin Sandra Ehlers. Nach Einschätzung der Vereinsanwältin Dr. Tamara Knöpfel sei diese Kündigung rechtlich unwirksam: „Der Vertrag zwischen dem Land Berlin und dem Verein läuft bis zum 31. Dezember 2027 und kann während dieser festen Laufzeit nur in gesetzlich geregelten Ausnahmefällen gekündigt werden. Ein vertragliches Kündigungsrecht, wie es das Bezirksamt für sich reklamiert, existiert nicht.“ Auch sei nicht nachvollziehbar, warum das Gelände vor Ablauf der Vertragslaufzeit benötigt werde – laut Planungen beginnt der Bau frühestens 2027.

Zudem sieht der Mietvertrag ab dem 31. Dezember 2027 eine jährliche Verlängerung vor, solange keine Kündigung erfolgt. Eine solche Kündigung müsste dann auch vom Berliner Abgeordnetenhaus genehmigt werden. Diese Zustimmung wäre nur denkbar, wenn ein rechtsgültiger Bebauungsplan beschlossen ist.

Der LRV Tegel kündigt an, sich gegen einen vorzeitigen Auszug mit allen rechtlichen Mitteln zu wehren. „Selbst eine gerichtliche Entscheidung über eine Räumung ist realistischerweise nicht vor Ende 2027 zu erwarten. Der Verein wird seinen Betrieb daher wie gewohnt fortführen“, erklärt Dr. Knöpfel.

Die Vereinsmitglieder haben eine Petition zur Rettung des Vereins ins Leben gerufen. „Mit dem Verlust des Vereinsgeländes würde nicht nur ein Rückzugs- und Entwicklungsort für viele Kinder und Jugendliche verschwinden – auch die Pferde würden ihr Zuhause verlieren“, heißt es in der Petitionsbeschreibung: www.openpetition.de/petition/online/lrv-tegel-e-v-erhalten

Am 28. Juni, 10.30 bis 15.30 Uhr, wird ein Sommerfest veranstaltet: mit Ponyreiten, Reit- und Hofführungen sowie einem Hobby-Horsing-Wettbewerb.

Christiane Flechtner

Christiane Flechtner ist seit mehr als 30 Jahren als Journalistin und Fotografin in Reinickendorf und auf der ganzen Welt unterwegs. Nach 20 Jahren bei der Lokalzeitung Nord-Berliner ist sie seit der ersten Ausgabe mit im Team der Reinickendorfer Allgemeinen Zeitung und anderer Verlagsmedien. Sie arbeitet außerdem als freie Journalistin und Fotografin bei „Welt“, Berliner Zeitung und anderen Zeitungen in Deutschland, Österreich und Luxemburg sowie für u. a. Reise-, Wander- und Tiermagazine.