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Ein Feuerwerk über den Häusern In Tegel
Foto: fle

Viel Lärm um bezirkliches „Knallverbot“

Bezirksamt verbietet Silvester-Böllern vor 18 Uhr / Strafen bis zu 10.000 Euro möglich

Bezirk/Berlin – Das Thema ging sofort viral – nicht nur auf der Facebook-Seite der Reinickendorfer Allgemeinen Zeitung, sondern auch auf anderen Seiten, die sich mit dem Fuchsbezirk befassen: „Wird funktionieren wie das Messerverbot!“, „War ja zu Halloween schon schrecklich und mir graust es vor Silvester“, „Interessiert hier nur keine Sau, böllern ja jetzt schon, und kümmern tut sich keiner.“

Anlass für diese Kommentare war ein Post zu einer Pressemitteilung des Bezirksamtes. Darin wird ein „Knallverbot“ im gesamten Bezirk am 31. Dezember 2025 vor 18 Uhr und am 1. Januar 2026 nach 7 Uhr verfügt. Das bedeutet: Das Abbrennen pyrotechnischer Gegenstände der Kategorie F2 mit ausschließlicher Knallwirkung ist in Reinickendorf in diesem Zeitfenster verboten. Das sind beispielsweise Raketen, Batterien und Knallkörper. Andere pyrotechnische Gegenstände, die nicht nur „böllern“, sondern auch ein Feuerwerk auslösen, sind allerdings weiterhin erlaubt. 

„Das sogenannte „Knallverbot“ soll Mensch, Tier und Umwelt schützen sowie „die Verkehrssicherheit erhöhen“. Die Entscheidung basiert auf einer sorgfältigen Abwägung öffentlicher Interessen und individueller Rechte, um Belastungen für die Allgemeinheit zu verringern“, heißt es in der Mitteilung.

Doch ist das alles viel Lärm um nichts? Schließlich sind diese Beschränkungen nicht neu. Im Gegenteil: Seit Jahren gibt es bundesrechtliche Beschränkungen für den 31. Dezember und 1. Januar. Neu in Berlin sind lediglich die bezirksspezifischen Allgemeinverfügungen wie aktuell in Reinickendorf, die das bereits bestehende Zeitfenster jetzt sichtbar und mit Bußgeldandrohung auf Bezirksebene regeln. Bleibt also eigentlich alles beim Alten? Viele Reinickendorfer werden sich sagen: Wer sich bisher nicht an das Verbot gehalten hat, wird jetzt nicht damit anfangen. Auch wenn die Strafen hoch sind: Wird ohne Genehmigung ein Feuerwerk der Kategorie 2 außerhalb der festgelegten Zeiten gezündet, „können bis zu 10.000 Euro Bußgeld erhoben werden“, sagt Bezirksstadträtin Julia Schrod-Thiel (CDU). „In den letzten Jahren ist auffällig, dass insbesondere tagsüber zu Silvester und Neujahr vermehrt Böller missbräuchlich und ausschließlich aufgrund ihrer Knallwirkung abgebrannt werden.“ Dadurch sei der öffentliche Frieden und die Sicherheit gestört, so die Stadträtin.

Kontrollieren sollen das Verbot Ordnungsamt und Polizei

„Tagsüber sind mehr Menschen unterwegs, was das Risiko von Verletzungen und Sachschäden erhöht. Zudem verursacht der Lärm Stress und Ängste bei Tieren und Menschen, was zu gefährlichen Verkehrssituationen führen kann“, fügt Schrod-Thiel hinzu. Deshalb gilt ab sofort: Geböllert werden darf nur noch 13 Stunden lang, und zwar vom 31. Dezember ab 18 Uhr bis 1. Januar, 7 Uhr. 

Eine entscheidende Frage ist allerdings, wie das Ganze kontrolliert werden soll. Die Stadträtin hat die Antwort: „Die Ahndung erfolgt durch die Polizei. Vorherige Kontrollen werden durch den Außendienst des Ordnungsamtes vorgenommen. Die Bearbeitung der Ahndungen werden ebenfalls vom Ordnungsamt vorgenommen. Durch die Allgemeinverfügung ist die rechtliche Grundlage für die Bearbeitung der Ordnungswidrigkeitenverfahren gewährleistet.“  

Einigen gehen die Beschränkungen nicht weit genug, sie fordern ein komplettes Böllerverbot – und das nicht erst seit der vergangenen Silvesternacht, als ein siebenjähriger Junge am Emstaler Platz durch eine illegale Kugelbombe lebensgefährlich verletzt wurde. Ganze Laden-Fensterfronten zersprangen durch die Detonation. Vier weitere Kinder und zwei Erwachsene wurden leicht verletzt, ein 41-Jähriger schwer. Insgesamt 576 Verfahren zu Silvester-Delikten wurden eingeleitet, 15 Verfahren seien bei der Staatsanwaltschaft laut Nachfrage der DPA noch offen – auch das des 17-Jährigen, der verdächtigt wird, die Kugelbombe in Tegel gezündet zu haben. 

Viele fordern ein bundesweites Böllerverbot – so auch die Gewerkschaft der Polizei Berlin. Sie übergab am 4. Dezember eine Petition mit mehr als 2,2 Millionen Unterschriften für ein „Bundesweites Böllerverbot, jetzt!“ an die Innenministerkonferenz in Bremen. 

Ein Blick ins Ausland zeigt, dass einige Staaten deutlich strenger mit dem privaten Böllern umgehen. In Frankreich ist das private Böllern in vielen Städten und Kommunen untersagt, und in den USA ist es ähnlich. In Australien sind private Feuerwerke wegen erhöhter Brandgefahr verboten. In Italien ist der Verkauf von Feuerwerkskörpern eingeschränkt, aber nicht verboten. Die Regeln für das private Abbrennen von Pyrotechnik sind jedoch strenger als in Deutschland. Besonders strikt geht es in Chile zu: Dort ist der private Gebrauch komplett verboten, Feuerwerk  kann nur in professionellen Shows gesehen werden. Und auch wenn der Bezirk ein komplettes Böllerverbot befürworten würde: „Dies ist eine übergeordnete Entscheidung, die das Bezirks-amt Reinickendorf nicht treffen kann“, sagt Schrod-Thiel abschließend.

Christiane Flechtner

Christiane Flechtner ist seit mehr als 30 Jahren als Journalistin und Fotografin in Reinickendorf und auf der ganzen Welt unterwegs. Nach 20 Jahren bei der Lokalzeitung Nord-Berliner ist sie seit der ersten Ausgabe mit im Team der Reinickendorfer Allgemeinen Zeitung und anderer Verlagsmedien. Sie arbeitet außerdem als freie Journalistin und Fotografin bei „Welt“, Berliner Zeitung und anderen Zeitungen in Deutschland, Österreich und Luxemburg sowie für u. a. Reise-, Wander- und Tiermagazine.