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Ein Mann steht an einem Zaun im Wald
Stephan Schmidt vor dem Wildschutzzaun. Foto: fle

„Wild-Schweinerei“

CDU-Abgeordneter Stephan Schmidt erwirkt Wildschutzzaun

Heiligensee – Die Wildschweine sind los in Heiligensee. In dem schmalen Waldstück zwischen Regenwalder Weg und Stadtautobahn hat es sich eine Rotte gemütlich gemacht – sehr zum Leidwesen der Anwohner, die die Wildschweine häufig in ihren Gärten und auf den Straßen antreffen.

„Ich hatte eine Begehung mit Revierförster Johannes Müller, um mir ein Bild von der Situation zu machen“, sagt Stephan Schmidt, CDU-Wahlkreisabgeordneter für Heiligensee. „Dabei erzählte er mir, dass die Tiere in diesem Bereich wohl auch angefüttert wurden. Das ist sicher gut gemeint, aber sie tun den Heiligenseern und auch den Tieren damit keinen Gefallen.“ Es sei klar, dass die Tiere dann aufgrund der „guten Versorgung“ blieben und auch ihre Jungen in einem für sie so perfekten Umfeld zur Welt brächten.  „Viele der Zäune entlang dieses kleinen Waldstücks sind nicht wildtiersicher – und die Schweine finden in den Gärten einen gedeckten Tisch. Warum sollten sie also weiterziehen?“, fügt er hinzu. 

Verwüstungen sind die Folge, und viele Reinickendorfer haben Angst, vor allem wegen ihrer Kinder. Einer dieser ist der Heiligenseer Thomas Krause. Er schickte der RAZ-Redaktion einen Mailverkehr und ein Foto, das er aus seinem Fenster aufgenommen hat. „Das anhängende Foto habe ich am 21. Mai um 7.15 Uhr aus einem Fenster unserer Wohnung gemacht“, schreibt er. „Angesichts dieser Zustände – bislang wurden wir hier ‚nur‘ spätabends oder nachts mit solchen Begegnungen konfrontiert – habe ich mit Derk Ehlert Kontakt aufgenommen, der mein Schreiben an die Berliner Forsten weiterleitete.“

Hartmut Remmel vom Landesforstamt der Berliner Forsten antwortete ihm: „Ob nahrungsbedingt außergewöhnlich hohem Wildschweinaufkommen ist die Stadtjagd pro aktiv mit der Dezimierung der Wildschweine beschäftigt. Aber wir halten uns an Recht und Gesetz. Die Jagd ruht im befriedeten Bereich (vergröbert Berlin). Ausnahmsweise dürfen Jagdhandlungen von bestellten Stadtjägern erfolgen. Das Areal wird entsprechend regelmäßig von Stadtjägern bestreift und es kommt zu Entnahmen. Leider funktioniert die Bestandsreduzierung nicht auf Knopfdruck. Beispielsweise ist eine gefahrlose Schussabgabe oft nicht möglich.

Er erklärt in seinem Schreiben, dass das Problem nicht gänzlich durch „Entnahme“ zu lösen sei und Begegnungen sich nicht völlig ausschließen lassen. Und er beschreibt die Gefahr auch als gering: „Bei defensiven Verhalten droht grundsätzlich keine Gefahr. Um eine führende Bache mit ihren Frischlingen sollte ob des Beschützerinstinkts ein Bogen gemacht werden. Den Tieren immer eine Ausweichmöglichkeit geben. Die Schweine von Hunden unbelästigt lassen. Es ist statistisch wahrscheinlicher, von einem Hund gebissen zu werden, als Schaden durch ein Schwein zu nehmen. In seltenen Fällen kommt es zu Auseinandersetzungen von Wildschweinen mit Hunden. In dem Fall nicht eingreifen, da man sonst selbst in den Konflikt gerät.“

Thomas Krause beruhigt diese Antwort nicht. Im Gegenteil: „Ich entnehme daraus, dass wir weiter auf uns selber angewiesen sind. Ich empfinde die Reaktion der Berliner Forsten in ihrer ignoranten Kaltschnäuzigkeit als Unverschämtheit – sicher muss wirklich erst etwas Dramatisches passieren, damit dieser Verein sich rührt, wenn überhaupt. „Aber ‚nach Recht und Gesetz‘ dürfen ja auch die Wildschweine bei Bauer Zorn hier in Heiligensee seine Rinderweiden verwüsten, ohne dass ihm Hilfe zuteilwird. Unter dem Schutz von ‚Recht und Gesetz‘ dürfen auch invasive Waschbären hohe Sachschäden anrichten und erhebliche Teile der heimischen Fauna vernichten.“

Im Falle der Problematik am Regenwalder Weg könnte die Situation nun eine entspanntere sein: Ein Wildschutzzaun, der zuvor auf dem Lärmschutzwall der Autobahn vor dem Wäldchen endete, wurde erweitert. Nun zieht er sich durch bis zum Kiefheider Weg. „Dieser Lückenschluss ist die Voraussetzung dafür, dass in diesem Bereich Stadtjäger zum Einsatz kommen, denn nun können die Wildschweine nicht mehr auf die Autobahn flüchten“, sagt Schmidt. „Auch der Einsatz eines sogenannten Saufangs soll geprüft werden. Eine parlamentarische Anfrage ist gestellt.“

Christiane Flechtner

Christiane Flechtner ist seit mehr als 30 Jahren als Journalistin und Fotografin in Reinickendorf und auf der ganzen Welt unterwegs. Nach 20 Jahren bei der Lokalzeitung Nord-Berliner ist sie seit der ersten Ausgabe mit im Team der Reinickendorfer Allgemeinen Zeitung und anderer Verlagsmedien. Sie arbeitet außerdem als freie Journalistin und Fotografin bei „Welt“, Berliner Zeitung und anderen Zeitungen in Deutschland, Österreich und Luxemburg sowie für u. a. Reise-, Wander- und Tiermagazine.