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Silvia Cetin hat das Café am See am 1. April 2000 eröffnet. Fotos (2): fle

„Wir sind eine Institution“

Reinickendorf – Der Einsamkeit von Menschen entgegenwirken, sie unterstützen und einfach für sie da zu sein – das tut Silvia Cetin mit ihrem „Café am See“. Ihr Café ist Treffpunkt, ein Ort der Gemeinschaft und sogar Familienersatz. Seit nunmehr 22 Jahren führt Silvia Cetin nicht nur das Café am Schäfersee, sondern auch die Menschen näher zusammen. Die 62-Jährige eröffnete es am 1. April 2000 und ist seitdem durch Höhen und Tiefen gegangen. Das 20-jährige Bestehen konnte sie im Jahr 2020 aufgrund der Pandemie nur zu Viert und mit Gesichtsmasken feiern. Deshalb holt sie es nun am 1. April mit zweijährige Verspätung nach.

„Wir sind überglücklich, dass wir die vergangenen zwei Jahre überstanden haben“, sagt die engagierte Reinickendorferin. „Ich habe sehr, sehr, sehr treue Kunden, die sich nun alle freuen, dass wir es bis hierher geschafft haben und dass es das Café immer noch gibt.

Das Café ist eng verknüpft mit ihrem eigenen Leben. Und obwohl sie in den vergangenen Jahren keinen einzigen freien Tag hatte und unermüdlich von morgens bis abends Bestellungen aufnimmt und ihre Gäste bedient, wird es ihr nie zu viel. Denn sie tut tagtäglich Gutes und führt immer wieder Menschen zusammen, die sonst vereinsamen und verzweifeln würden.

Als die engagierte Cetin das Café 2000 eröffnete, bestand es lediglich aus drei Tischen und einem Tresen. Ein Anbau und viel persönliches Engagement machten es in den vergangenen zwei Jahrzehnten zu dem, was es heute ist: eine beliebte Anlaufstelle für Jung und Alt.

Um das große Geld ging es der Reinickendorferin nie – vielmehr ging es Cetin um ein gutes Miteinander und einen Ort, an dem Ältere der Einsamkeit entfliehen konnten, an dem Gutes geschah und Hilfsprojekte genaue Formen annahmen. Spenden und Weihnachtsprojekte, Aktionen für die Kinder aus dem Kiez und Silvester für die Seniorinnen und Senioren – das war es, was für die Reinickendorferin im Vordergrund stand, was ihr am Herzen lag.

Eine Zwangsversteigerung bedrohte im Februar 2020 alles, was Cetin in mühevoller Arbeit aufgebaut hatte. Doch diese ist glimpflich verlaufen. Dann kam Corona: Die Pandemie und die damit verbundenen Zwangsschließungen und Auflagen rissen der Café-Inhaberin noch einmal den Boden unter den Füßen weg. „Wir mussten schließen und es gab nichts mehr, wo die älteren Reinickendorferinnen und Reinickendorfer sich hinwenden konnten“, erinnert sie sich. Nur ein Außer-Haus-Verkauf war noch möglich. Und Spaziergänger retteten sie und ihr Team mit dem Kauf von Wurst to go, Kaffeespezialitäten und anderen Getränken vor dem endgültigen Aus. Auch die Corona-Hilfen vom Staat haben Silvia Cetin und ihrem Team geholfen. „Die älteren Nachbarn, die nicht rauskonnten, belieferten wir. Wir kümmerten uns um sie und übernahmen Einkäufe. Zudem hat sie mit ihrem Team für die Obdachlosen auf dem Franz-Neumann-Platz gekocht. Aufgeben kam nie in Frage, bis heute nicht.

Nun ist nach der Wiedereröffnung die Normalität zurückgekehrt, zwar mit weniger Personal als zuvor, aber mit noch mehr Engagement. „Diejenigen, die nicht mehr laufen können, weil sie zu alt sind, holen wir ab und fahren sie wieder nach Hause. Sonst vereinsamen sie“, weiß Cetin. Auch ums Impfen habe sie sich gekümmert. Einige Reinickendorferinnen und Reinickendorfer seien sehr alleine und wären mit der Pandemie gar nicht zurechtgekommen.

Vor allem die älteren Stammgäste freuen sich wieder über ihre regelmäßigen gemeinsamen Treffen im Café mit Hausmannskost. „Sie kommen nicht nur zum Kaffeetrinken, sondern wir sind ihre Familie, ihr Anlaufpunkt“, sagt die 62-Jährige. Das Cafe am See ist täglich von 9 bis 20 Uhr geöffnet.

Am 1. April wird das 20-jährige Bestehen mit Musik und einer kleinen Travestie-Showeinlage von Peggy gefeiert. „Es gibt an diesem Tag zum 20. Geburtstag 20 Prozent Rabatt“, sagt Silvia Cetin. Außerdem wird Alfred Baran seine Malereien verkaufen. Der 92-Jährige ist Stammgast im Café und möchte das eingenommene Geld im Anschluss für die Obdachlosen auf dem Franz-Neumann-Platz spenden. fle

Inka Thaysen

Ursprünglich beim Radio journalistisch ausgebildet, bin ich seit Ende 2018 für den RAZ Verlag tätig: mit redaktionellen sowie projektkoordinativen Aufgaben für print, online, Social Media und den PR-Bereich.