Ein Reinickendorfer Traditionsverein funkt S.O.S. „Dieses Chaos geht wohl noch Monate weiter“, sagt Marco Krieger, Präsidiumsmitglied des BFC Alemannia 1890 und Vorsitzender der Fußball-Abteilung im Mehrspartenverein. „Wir sind mit unseren Nerven am Ende und wenden uns deshalb ganz bewusst an die Öffentlichkeit.“
Was ist passiert? Zunächst mal der große Sturm namens „Ziros“, der Berlin und vor allem auch Reinickendorf vor inzwischen zweieinhalb Monaten heimsuchte. Die folgenden Aufräumarbeiten (oder besser: ihre Koordinierung) standen ziemlich schnell in der Kritik, insbesondere David Jahn von der FDP-Gruppe in der BVV tat sich dabei hervor. Das für den 20. Juli auf der Anlage an der Göschenstraße angesetzte LSB-Familienfest sagte Reinickendorf als einziger Berliner Bezirk ab (RAZ berichtete). Inzwischen laufen Spiel- und Training dort wie auch auf den anderen Sportstätten im Bezirk wieder im Normalbetrieb. Nur bei Alemannia nicht.
Warum? Das fragen sich auch die Alemannia-Verantwortlichen. „Wir sind der einzige Verein im Bezirk, dessen Fußballer noch nicht wieder auf den Platz dürfen. Die Tennisspieler dagegen können spielen“, sagt Klaus Koch, der stellvertretende Vorsitzende des Fördervereins, während einer Stippvisite der RAZ auf der Alemannia-Anlage. Vereinswirt Rocco tritt hinzu, berichtet von erheblichen Einbußen. „Die Gäste bleiben weg, ich musste beide Köche freistellen, mache jetzt alles alleine“, sagt der Italiener.
Viel Arbeit haben sie momentan sowieso im Verein. In der vorigen Woche lief das Sommercamp für Kids – allerdings nicht an der Ollenhauer Straße, sondern an der Aroser Allee. „Die Info erhielten wir zwei Tage vor Camp-Beginn. Wir mussten Minitore, 50 Bälle und weiteres Material dahin schaffen“, sagt Marco Krieger. Ein immenser zusätzlicher Aufwand, der den ehrenamtlich Tätigen im Verein abverlangt wird.
Seltsamerweise habe man noch fast drei Wochen nach dem Sturm trainieren können, erst am 14. Juli wurde der Platz gesperrt. „Das war in der letzten Woche vor den Ferien, wir wollten am 15. Juli ein Turnier für Grundschulen ausrichten. Um 11 Uhr am Tag davor kam die Mitteilung vom Bezirksamt, dass wir an die Königshorster Straße ausweichen müssen“, so Krieger. Der organisatorische Aufwand dafür – wie etwa BVG-Tickets für die An- und Abfahrt ins Märkische Viertel zu besorgen – war zwei Schulen zu groß. Sie sagten ab.
Mini-Mannschaft geplatzt

Während der Schulcup aber noch stattfinden konnte, musste der in Zusammenarbeit mit BENN, WIR und dem Landessportbund (LSB) für den 12. Juli geplante Refugee Welcome Cup mangels zur Verfügung stehgenden Ausweichplatzes komplett abgesagt werden. „Die dafür vom LSB bewilligten Fördergelder in vierstelliger Höhe müssen wir wahrscheinlich zurückzahlen“, sagt Krieger.
In der vorigen Woche erfuhr Alemannias Fußball-Chef, dass die eigene Anlage vorerst weiter gesperrt bleibe und die jungen Kicker nun auf vier verschiedenen Plätzen (Königshorster Straße, Scharnweberstraße, Hatzfeldtallee und Am Borsigpark) trainieren sollen. „Wir müssen jetzt während der Arbeitszeit über 30 Trainern (und mittlerweile auch Eltern) erklären, wo und wann sie nächste Woche trainieren sollen. Das bedeutet, dass uns wieder alle Trainer und Eltern kontaktieren und sich beschweren. Dadurch bleiben andere Projekte leider liegen.“
Zum Beispiel die Installierung einer neuen Mini-Mannschaft mit rund zehn Fünfjährigen, die Alemannias Spielbetriebsleiter Leonard Kampa in dieser Woche auf die Beine stellen wollte. „Das müssen wir nun erst einmal verschieben, bis unsere Anlage wieder freigegeben wird“, sagt Kampa.
Was den Fußball-Chef Krieger am meisten nervt, ist der Umgang seitens des Bezirksamtes mit seinen Anfragen. „Die verliefen im Sande, wir haben vom Sport- oder Grünflächenamt noch nicht einmal einen Rückruf oder eine klare Aussage erhalten“, sagt er. „So geht man nicht miteinander um. Inzwischen ist es soweit, dass ich bis tief in die Nacht wachbleibe und mir dieses Chaos auch körperlich zu schaffen macht.“
Kampa sagt dazu: „Mich erinnert das alles an den Zeichentrickfilm ,Asterix erobert Rom‘. Da geht es um einen Passierschein A38, eine Formalität verwaltungstechnischer Art. Am Ende herrscht nur noch Chaos.“ Auch Nachfragen der RAZ an das Bezirks-amt zur Causa Alemannia blieben bis zum Redaktionsschluss unbeantwortet. bek