Ein Mann steht mittig in einem großen leeren Saal
Foto: fle

„Wir werden etwas Schönes machen“

Landesdenkmalamt hat den ehemaligen Tanzsaal Tegel unter Denkmalschutz gestellt

Die Worte hallen ein wenig, und fast ehrfürchtig stehe ich mit Hamid Djadda mittendrin im hohen Raum, in dem – mit abgehängter Decke – bis vor kurzem noch eine Filiale von Mäc-Geiz gewesen war. Der Unterschied könnte kaum größer gewesen sein, denke ich mir, und stelle mir die Billig-Plastikwaren vor, die hier für kleine Euro-Beträge über die Ladentheke gingen, während ich nun in diesem Saal mit Säulenwänden, Resten des roten Samtvorhangs auf der Bühne und stuckverzierter Empore stehe.

Das besondere Juwel im Eckgebäude Buddestraße/Grußdorfstraße ist aus dem Dornröschenschlaf erwacht, als man die Decke des ehemaligen „Mäc-Geiz“-Geschäfts entfernte. Zuvor ließen nur die drei roten zugemauerten Bogenfenster erahnen, was sich hier einmal befand: In Trapp’s Festsälen tanzten und feierten und verliebten sich die Menschen zur Jahrhundertwende. 

Bild von früher offenbarte einstigen Glanz

Eigentümer ist nun seit elf Jahren Hamid Djadda (Foto). Ihm gehört auch die Avus-Tribüne, für deren Sanierung und Rettung er den Berliner Denkmalpreis, die Ferdinand-von-Quast-Medaille, erhielt. Er selbst hatte keine Ahnung, welcher Schatz sich hier verbirgt, bis der Wirt der benachbarten Restauration ihm ein Bild zeigte. „Der einzige Weg hinein war über das Dach, und ich staunte nicht schlecht, was ich dann sah“, erinnert er sich. 

Box-Trainingscenter ging insolvent

Djadda vermietete die 600 Quadratmeter große Räumlichkeit an einen Boxprofi, der dort ein Box-Trainingscenter einrichten wollte. Der Aufschrei war daraufhin bei den Reinickendorfern groß. Doch alle können aufatmen: „Zwar waren die Pläne schon fertig, aber der Mieter ist in einer Rekordzeit insolvent gegangen“, sagt er.

Und nun ist alles wieder offen für den Saal im historischen Gebäude, das der Tegeler Bauunternehmer Valtink 1901 bauen ließ und große Bereiche an den Gastwirt Wilhelm Trapp vermietete. „Im neu erbauten Prachtsaal jeden Sonntag Großer Ball bei gut besetztem Orchester. Anfang 4 Uhr, Entree 10 Pfennig“ pries der Wirt seinen Saal in einer Anzeige an. Doch dann kam der Erste Weltkrieg, und der Betrieb wurde eingestellt. Leben kam erst wieder 1919 „in die Bude“, als der neue Eigentümer des Eckhauses, Fritz Joschek, den im Gebäudeflügel gelegenen Festsaal in ein Lichtspieltheater umbauen ließ – mit Bauabnahme am 5. November 1919.

Filmpalast Tegel, Edeka, Mäc-Geiz 

Der Filmpalast Tegel hatte im Parkett 456 Sitz- und 62 Stehplätze sowie im Rang mit Balkon weitere 155 Sitzplätze. Die Stummfilme wurden mit Musikuntermalung vorgeführt, unter anderem von der Borsigwalder Klavierspielerin Frau Gerhard. Ihr Verlobter begleitete sie oft auf der Bassgeige. Die Zuschauer konnten die beiden Musiker durch einen an der Leinwand-Bühne angebrachten Spiegel spielen sehen. 1934 entstand die Vereinigte Lichtspiel Tegel GmbH. Wilhelm Werner und Fritz Joschek betrieben gemeinsam die Kinos „Filmpalast“ und „Kosmos“ in Tegel sowie den „Filmpalast Hennigsdorf“. Im Oktober 1965 lief der letzte Film – der Saal wurde Discount-Selbstbedienungsladen, 1979 Edeka-Markt und in den vergangenen Jahren eine Filiale von Mäc-Geiz.

59 Jahre Dornröschenschlaf 

Die Eigentümer zogen eine Zwischendecke ein – und der gesamte Saal fiel in einen 59-jährigen Dornröschenschlaf. Aus dem will Djadda den Saal nun wieder erwecken. „Der Vorbesitzer wollte alles abreißen und hier Wohnungen einbauen, aber das wäre ein Verbrechen gewesen. Ich möchte den Saal erhalten, und von der Struktur und der Statik ist auch alles 1a; mit relativ wenig Aufwand kann man den Saal wieder schick machen. Es ist höchste Zeit, dass ihm wieder neues Leben eingehaucht wird“, sagt der Wahlberliner, der zuvor in Hamburg wohnte. 

Keine Schallisolierung vorhanden

Djadda hat bereits verschiedene Interessenten, sogar aus dem Ausland. Es gab bereits Anfragen für einen Fitness-Club, eine Shisha-Bar und einen Indoor-Kinderspielplatz. „Das ist alles theoretisch möglich, aber für mich würde hier Gastronomie wunderbar passen. Auch einen italienischen Feinkostladen mit integriertem Restaurant kann ich mir hier gut vorstellen.“ Als Festsaal oder Eventlocation mit lauter Musik ist der Raum allerdings nicht nutzbar. „Wir haben die Akustik und die Schallisolierung zu den Nachbarn getestet und festgestellt, dass eine Schallisolierung gar nicht vorhanden ist“, sagt er. „Und ohne den Saal zu zerstören, könnte man nicht nachisolieren.“ 

Denkmal-Status soll neuen Glanz bringen

Ein Zerstören ist nun eh nicht mehr möglich, da der ehemalige Tanzsaal seit Ende September unter Denkmalschutz steht. Landeskonservator Dr. Christoph Rauhut erklärt: „Von den einst zahlreichen Berliner Fest- und Tanzsälen sind heute nur wenige überliefert. Viele davon verloren durch Umbauten ihre reiche Gestaltung. Da der Tanzsaal in Tegel über viele Jahrzehnte im Verborgenen lag, wurde seine Gestaltung bewahrt und kann mit Hilfe einer denkmalgerechten Sanierung und Restaurierung nun wieder in neuem Glanz erstrahlen.“ Zur Unterstützung der Sanierungs- und Restaurierungsmaßnahmen hat das Landesdenkmalamt Fördermittel ab 2025 in Aussicht gestellt.

Christiane Flechtner

Christiane Flechtner ist seit mehr als 30 Jahren als Journalistin und Fotografin in Reinickendorf und auf der ganzen Welt unterwegs. Nach 20 Jahren bei der Lokalzeitung Nord-Berliner ist sie seit der ersten Ausgabe mit im Team der Reinickendorfer Allgemeinen Zeitung und anderer Verlagsmedien. Sie arbeitet außerdem als freie Journalistin und Fotografin bei „Welt“, Berliner Zeitung und anderen Zeitungen in Deutschland, Österreich und Luxemburg sowie für u. a. Reise-, Wander- und Tiermagazine.