Heiligensee – Die Nachricht ging kürzlich durch die Medien: „Gerichtsvollzieher und Polizei holen kranke Mutter mit sieben Kindern aus der Wohnung.“ Es war von „dramatischen Szenen“ die Rede, die sich vor dem Eingang eines Wohnhauses auf dem Gelände des Diakoniezentrums abspielten. Der Grund: Die Wohnung einer Familie wurde zwangsgeräumt.
Die RAZ fragte beim Vermieter, dem Evangelischen Jugend- und Fürsorgewerk (EJF), beim zuständigen Bezirksstadtrat, Uwe Brockhausen (SPD) sowie dem Jobcenter nach, wie es dazu kommen konnte.
Jahrelange Mietrückstände und bauliche Veränderungen ohne Genehmigung
Nach Angaben des EJF hatte die Familie über einen langen Zeitraum hinweg keine Miete gezahlt. Zudem seien in der Wohnung ohne Erlaubnis zusätzliche Wände eingezogen worden, wodurch sich Schimmel gebildet habe. Gespräche und Hilfsangebote seien von der Mieterin mehrfach abgelehnt worden. Auch nach einem Räumungsurteil im Januar 2024 habe es keine Einsicht gegeben. Das Urteil wurde schließlich unter Einhaltung aller rechtlichen Vorgaben vollstreckt.
Mietkosten und die Rolle des Jobcenters
Das Jobcenter Reinickendorf erklärte auf Nachfrage, dass Bürgergeld-Empfänger verpflichtet seien, die für die Unterkunft vorgesehenen Leistungen auch für die Miete zu verwenden. In der Regel überweist das Jobcenter die Beträge direkt an die Empfänger. Kommt es zu Mietrückständen, kann der Vermieter das Mietverhältnis kündigen.
Vermieter fühlt sich zu Unrecht kritisiert
Das EJF betont, dass man der Familie lange entgegengekommen sei – mit Hilfsangeboten und erlassenen Gebühren. Dennoch habe es keinen Lösungswillen seitens der Mieterin gegeben. Die öffentliche Darstellung des EJF als „herzlos“ und „unchristlich“ sowie massive Drohungen gegen die Mitarbeitenden hätten für Fassungslosigkeit gesorgt.
Zwangsräumungen sind kein Einzelfall
Bezirksstadtrat Uwe Brockhausen erklärte, dass es im Bezirk Reinickendorf jährlich mehrere Zwangsräumungen gebe – auch bei Familien. Das Bezirksamt versuche jedoch stets, durch Gespräche mit Vermietern und Betroffenen Lösungen zu finden, um Obdachlosigkeit zu vermeiden.
Ersatzwohnung stand bereit – wurde aber nicht genutzt
Für die betroffene Familie war bereits vor der Räumung eine alternative Unterkunft auf dem Gelände des EJF bereitgestellt worden. Die Mieterin habe dieses Angebot jedoch abgelehnt. Erst nach der Räumung im Januar zog die Familie in eine Wohnung, die ihr vom Bezirksamt zugewiesen wurde.
Die Mutter wollte sich gegenüber der RAZ nicht äußern.