Reinickendorf – Der Resi-Kiez verliert eines seiner letzten traditionellen Fachgeschäfte. Das Gardinenhaus Rybicki, direkt an der Ecke Residenzstraße und Pankower Allee gelegen, schließt nach 50-jährigem Bestehen Ende März des Jahres seine Pforten. Ganz freiwillig kommt dieses Aus im Jubiläumsjahr nicht, der Vermieter hat andere Pläne mit dem Flachbau am U-Bahnhof Franz-Neumann-Platz. Gerne hätten die Betreiber weitergemacht.
Das Inhaber-Ehepaar Monika und Peter Rybicki (Foto) erinnert sich gerne an die letzten fünf Jahrzehnte seines Schaffens. „Früher gab es hier gemütliche Sitzbänke, ein Kinderkarussell und Losbuden“, blickt Monika Rybicki ein wenig wehmütig auf das frühere Treiben an der belebten Ecke des Kastanienwäldchens zurück. Die Residenzstraße sei damals als „Boulevard des Nordens“ bekannt gewesen, weiß sie weiter zu berichten. Auch hätte man sich ehedem untereinander stets vertraut, fast alles per Handschlag besiegelt.
Genau am 1. März 1973 übernehmen die Eheleute das Gardinen-Fachgeschäft vom Vorbesitzer. Das geschäftstüchtige Ehepaar erlebt bewegte Zeiten, etwa den U-Bahn-Bau, einen Hausbrand oder den Fall der Mauer. Allen Widrigkeiten zum Trotz haben sie sich behauptet, zuletzt sogar die Corona-Pandemie wirtschaftlich überstanden.
Die Auslagen in dem markanten Eckladen mit seinen acht großen Schaufenstern sind auch heute noch beeindruckend. Geschätzte tausend Ballen Gardinenstoffe, egal ob in klassischem Weiß oder farbig, warten auf die Kundschaft. Stores, Übergardinen, Volants oder Seitenschals sollen die heimischen Fensterfronten verschönern. Kissen und Zubehör gehören gleichfalls zum Portfolio. Das zusätzliche Angebot an Borten, Rosetten, Endköpfen, Schienen, Gleitern, Rollen, Haken und Ösen lässt sich in Anbetracht der Vielzahl gar nicht beziffern. „Wir haben immer Qualität verkauft“, erzählt Peter Rybicki nicht ganz ohne Stolz. Die „gute ADO-Gardine mit der Goldkante“ sei nur als Beispiel genannt. Beratung, Ausmessung, maßgerechte Anfertigung, Montage sowie Verlegedienst gehören wie selbstverständlich zum Service.
Der mittlerweile 81-jährige Rybicki scheut sich dabei nicht, auch heute noch in den heimischen Gefilden der Kunden tätig zu werden.
Der Geschäftsmann kann viele Anekdoten über die Kundschaft aus nah und fern erzählen; etwa jene, vom mauretanischen Botschafter. „Er kam selbst samt Gefolge vorbei, wollte nur das Feinste“, so Rybicki. Dann hätte er 30.000 D-Mark in bar auf den Tresen des Hauses gelegt. Apropos Verkaufstresen: dort steht heute noch die antiquarische Anker-Registrierkasse. Sie erfüllt treu und ergeben ihre Aufgabe, verwahrt das Bargeld. Der Charme früherer Zeiten ist in den Räumen noch allgegenwärtig.
Der Verkauf wird nun allerdings bald ein Ende haben. Am Freitag, dem 17. März, ist der letzte Öffnungstag. Danach werden die Reste ausgeräumt, alles zum Ende des Monats besenrein gemacht. Zuvor haben Reinickendorfer und Berliner noch die Gelegenheit, Schnäppchen zu ergattern. Es gibt mit Beginn des Monats einen Ausverkauf mit großen Preisnachlässen. „Die Preise purzeln täglich“, versprechen die Protagonisten. Außergewöhnliche Dekorationen, Sektempfang und Gewinnspiele sollen die finale Aktion abrunden.
ks