Die Landwirtin Ute Kühne-Sironski steht an ihrem Küchenfenster und weist auf den verlassenen Bauernhof direkt gegenüber von ihrem eigenen Betrieb. Eine kleine Bewegung ist drüben am Fenster schemenhaft auszumachen. Der Senior hält dort noch die Stellung. Ansonsten sind das Haus und der gesamte Hof leer. Bis zum vergangenen Jahr gab es sieben Bauernhöfe in Lübars. Jetzt sind es nur noch sechs.
Ute Kühne-Sironski und ihr Mann haben gerade ihren Hof in Alt-Lübars an die nächste Generation weitergegeben. Sohn Boris und seine Ehefrau haben den Reiterhof mit den Feldern übernommen. Allerdings war ihre Generation wohl die letzte, die vollerwerblich auf den etwa 30 Hektar arbeitete und lebte. Ihre Schwiegertochter hat einen Zusatzjob, um das nötige Geld für die Familie mit der kleinen Tochter Marie zu verdienen. Maries Oma aber gibt nicht so schnell auf, wenn es um ihr „Kleinod“ Lübars geht. Sie sitzt für die CDU in der Bezirksverordnetenversammlung, zudem ist sie seit drei Jahrzehnten Vorsitzende der Berliner Landfrauen.
Um 1230 gegründet, gilt Lübars als das älteste Dorf Berlins und wurde 1971 unter Denkmalschutz gestellt. Dieses Idyll lockt Besucher an. Ute Kühne-Sironski erzählt von Tagestouristen, die ihre Decke für ein Picknick im Kornfeld ausbreiten und sich keine Gedanken über die abgeknickten Halme machen. Sie ließen häufig ihren Müll liegen und parken mit den Autos das Dorf voll. Noch schlimmer seien diejenigen, die ganze Anhängerladungen mit Dachpappe, Styropor und alten Fenstern in der Landschaft abkippen. Fast hat sie den Glauben an ihre Mitbürger verloren: „Die Menschen wissen nicht mehr, wie man sich in der Natur benimmt.“
Sie fordert eine verstärkte Präsenz des Ordnungsamtes. Den kürzlich als „Berliner Bauernmarkt“ eröffneten Wochenmarkt am Sonntag mit „französischer Backkunst, Feinkost-Pasten und Tantuni“ empfindet sie wie andere Landwirte als Fremdkörper (siehe Interview auf Seite 3). Dazu kommen laute Mittelalterfeste und häufige Filmdreharbeiten in der hübschen Kulisse. Hollywood im Dorf!
Dazu fahren jeden Tag rund 6000 Autos durch ihr Dorf, davon etwa 150 LKW, für die die Durchfahrt eigentlich verboten sei. Sie setzt sich als Bezirkspolitikern für eine Umgehungsstraße ein, ihr Ausblick ist jedoch düster: „Die Substanz des Dorfes ist in Gefahr“. Wenn es so weitergehe, sei es bald „nicht mehr liebens- und lebenswert“. Bertram Schwarz