Lieber etwas in die Spendendose

Wittenau – Am Freitag um 10 Uhr herrscht bereits emsiger Betrieb in der Ausgabestelle von Laib und Seele der Kirchgemeinde Alt-Wittenau. Männer in roten Poloshirts mit aufgesticktem Schriftzug „Laib und Seele“ fahren gestapelte Gemüsekisten auf Sackkarren vom Lieferauto in den großen Gemeinderaum. Frauen in ebensolchen roten Poloshirts sind bereits dabei, das zum Teil nicht mehr ganz frische Gemüse oder angefaulte Früchte auszusortieren bis alles appetitlich aussieht. Es sind Spenden von 42 Supermärkten und Bäckereien, die jeweils am Freitagmorgen von Laib und Seele abgeholt werden. Das bedeutet, dass noch verwertbare Lebensmittel nicht weggeworfen, sondern an die Menschen weitergereicht werden, die von einem geringen Einkommen leben.

Annette Meisen leitet seit 13 Jahren diese Lebensmittelausgabe für Menschen mit geringem Einkommen – die dies übrigens regelmäßig belegen müssen. Rund 40 Helferinnen und Helfer sind hier jeden Freitag ehrenamtlich tätig, damit sich rund 270 Familien jede Woche gegen eine Spende von einem Euro eine Tüte voller Lebensmittel abholen können. „Die 270 Familien versorgen 370 Personen, davon 120 Kinder“, erfährt man von Annette Meisen. Und dass sich seit dem Ukraine-Krieg und der Inflation die Zahl der Bedürftigen verdoppelt hat.

Heute findet sozusagen bei laufendem Betrieb die Übergabe eines silbernen Umschlages statt, den Bärbel Ross aus ihrer weißen Handtasche zieht und ihrem Ehemann Hubertus reicht. Dieser übergibt ihn Annette Meisen. „Im Umschlag sind 1.200 Euro. Sie sind an der Feier unserer Eisernen Hochzeit als Spende zusammen gekommen. Meine Frau und ich brauchen nichts mehr und wir wollten kein Zeug mehr nach Hause schleppen“, erklärt Hubertus Ross. „Wir haben mit über 50 Personen gefeiert und ich habe meine Gäste gebeten, statt Geschenke oder Blumen zu bringen, einen Betrag in die Spendendose zu legen.“

Wieso er gerade Laib und Seele als Empfänger für seine Spende ausgewählt hat, erfährt man von Laib und Seele-Helfer Balthasar Spring. „Ich wohne im gleichen Haus wie das Ehepaar Spring und weil die beiden mich auf mein Poloshirt angesprochen haben, haben sie von Laib und Seele erfahren“, erzählt er und lächelt verschmitzt.

Zur Übergabe ist auch Michael Kopplin vom Gemeindekirchenrat gekommen. Er und Annette Meisen bedanken sich herzlich bei den seit 65 Jahren verheirateten Jubilaren. „Damit kann ich einige Wochen kleine Extras kaufen, die nie in den Lieferungen der Supermärkte mit dabei sind. Öl, Kaffee oder Fischkonserven zum Beispiel. Über die Fischkonserven freuen sich besonders die Männer“, verrät Annette Meisen und lächelt dabei.

Das Ehepaar Ross ist beeindruckt von den vielen ehrenamtlichen Helfern und Helferinnen die ruhig und zügig arbeiten, denn um 14 Uhr muss alles bereit sein zum Abholen. „Ich war Kaufmann und würde nie ohne Bezahlung arbeiten“, verrät der Jubilar, „aber so konnte ich auch meinen Teil beitragen.“ Was für eine tolle und nachahmenswerte Entscheidung.

mfk

Inka Thaysen

Ursprünglich beim Radio journalistisch ausgebildet, bin ich seit Ende 2018 für den RAZ Verlag tätig: mit redaktionellen sowie projektkoordinativen Aufgaben für print, online, Social Media und den PR-Bereich.