Borsigwalde – Wenn Nicht-Neurologen behaupten, dass Zeit gleich Geld sei, dann können Insider nur mitleidig schmunzeln. Für Neurologen zählt Zeit vor allem als gerettete Gehirnmasse – zumindest, wenn sie auf einer „Stroke-Unit“ zur Schlaganfall-Therapie tätig sind. Zu dieser Thematik konnten Ärzte und Pfleger sich im Vivantes Klinikum am Nordgraben noch Mitte Dezember aktuell schlauer machen. Den Doppel-Anlass boten die Einweihung der erweiterten Stroke-Unit sowie der Epilepsie-Unit. Mit Stolz konnten Chefärztin Dr. Bettina Schmitz und Kollegen erfreulichen Zuwachs nicht nur bei der spezialfachärztlichen Versorgung präsentieren. Die Langzeit-Monitoring-Plätze für Epilepsie-Patienten haben sich von drei auf neun verdreifacht und drei zusätzliche Überwachungs-Betten zur Schlaganfall-Behandlung kamen hinzu.
Hightech-Betten für schnellere Diagnosen
„Überwachungsbetten“, das mag sich banal anhören, aber dabei handelt es sich um hochkomplexe Systeme mit Hirnstrom-Messungen, Video-Monitoring und künstlicher Intelligenz. Das spart wertvolle Zeit auf dem Weg zur Rettung. Auch räumlich sind sie – sofern man dies bei den weitläufigen Humboldt-Fluren sagen kann – nach dem Prinzip der kurzen Wege mittig zwischen Rettungsstelle und Radiologie platziert, um Gefäßverschlüsse zielgerichtet entweder per Thrombolyse-Medikament oder operativer Thrombektomie schnellstens zu behandeln. Eine derartige Einweisung kommt im Humboldt rund 3600-mal im Jahr vor. So viele Patienten vermeldet die Neurologie nach Schlaganfällen oder Verdacht auf Epilepsie. Schlaganfälle stellen die Todesursache Nummer Zwei dar und ereignen sich alle drei Sekunden, also 12,2 Millionen Mal pro Jahr, in Deutschland. So erleidet einer von vier Menschen im Laufe seines Lebens einen Schlaganfall, wobei sich die Fallzahl seit 2004 verdoppelt hat.
Schlaganfall: Eine unterschätzte Gefahr
Neben der Präsentation von nackten Fakten räumten die Rednerinnen auch mit Klischees auf – beispielsweise, dass Schlaganfall-Patienten in der Regel über 60 Jahre sein müssen. 2019 waren 63 Prozent der Patienten jünger als 70 Jahre. Erschreckend auch, wie viel Feinstaub und Mikroplastik sich mittlerweile in den Gefäßverschlüssen findet … Abschließendes Statement aus der Neurologie: „Schlaganfälle sind weltweit auf dem Vormarsch. Wir werden uns auch in Zukunft keine Sorgen um Zulauf zu unserer Kundschaft machen müssen.“
Epilepsie: Frühe Diagnose als Schlüssel
Und bei der Epilepsie? Sie stellt die häufigste chronisch-schwere Neuro-Krankheit dar, an der auch junge Menschen leiden können. In Berlin sind mehr als 20.000 Menschen betroffen. Eine elektrische Überaktivität im Gehirn führt dabei zu Muskelzuckungen und Ausfallerscheinungen. Zur erfolgreichen Behandlung sind auch hier frühe Diagnose und rascher Therapie-Beginn unerlässlich, wie Chefärztin Schmitz erklärt: „Sofern diese Erkrankung richtig und möglichst früh diagnostiziert wird, lässt es sich mit Epilepsie anfallsfrei weiterleben.“ Auf jeden Fall erfordern alle therapeutischen Anstrengungen kluge interdisziplinäre Kooperation, denn „alleine ist hier dies nicht zu wuppen“. Also auf Neudeutsch: Time plus Team Save Brain.
Schlaganfall – Was ist zu tun?
Jeder Schlaganfall ist ein Notfall, bei dem jede Sekunde zählt. Hier die wichtigsten Schritte:
- Sofortruf: Wählen Sie sofort den Notruf 112 und äußern Sie Ihren Verdacht auf Schlaganfall.
- Präsenz: Machen Sie sich als Begleitperson in einer Rettungsstelle beim Eintritt mit „Schlaganfall“ bemerkbar.
- Ansprache: Sprechen Sie den Betroffenen an und rütteln Sie vorsichtig an seinen Schultern, um sein Bewusstsein zu überprüfen.
- Lagerung: Bei Bewusstsein den Betroffenen bequem mit erhöhtem Oberkörper lagern. Bei Bewusstlosigkeit bringen Sie ihn in die stabile Seitenlage.
- Beruhigen: Versuchen Sie, den Betroffenen zu beruhigen und signalisieren Sie, dass Hilfe unterwegs ist.
- Kleidung: Lockern Sie beengende Kleidung, um die Atmung zu erleichtern.
- Vitalfunktionen überwachen: Achten Sie auf Atmung und Puls. Bei Herz- oder Atemstillstand sofort Wiederbelebungsmaßnahmen einleiten. Es ist wichtig, schnell zu handeln, um die bestmöglichen Chancen zu gewährleisten. Bleiben Sie ruhig, aber handeln Sie entschlossen.