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Ein Mann schaut aus einem Kioskfenster. Der Kiosk ist von einem Bauzaun umgeben.
Fotos: fle

Eingezäunt im eigenen Kiosk

Die Verzögerung der Bauarbeiten an der U-Bahnlinie 6 trifft Betreiber Jörg Engel hart

Eingerüstete U-Bahneingänge, Zäune und Vollsperrungen: Bei den U-Bahnlinien U8 und U6 dauern die Bauarbeiten viel länger als geplant – nicht Wochen oder Monate, sondern Jahre. Das macht vor allem den Geschäftsleuten Probleme, die von den Baumaßnahmen unmittelbar betroffen sind.

So wie Jörg Engel (Foto). Sein Kiosk am U-Bahnhof Alt-Tegel ist auf drei Seiten von Bauzäunen umgeben. Sein Arbeitsplatz, einst offen zugänglich, gleicht nun einem Käfig. Laufkundschaft? Fehlanzeige! Dort kann niemand mehr entlanglaufen. Der halbe Platz zwischen ehemals C&A und Commerzbank ist gesperrt. „Unser Familienbetrieb existiert seit 1951“, sagt Engel. Vorher hätten die Oma und der Schwiegervater das Geschäft geführt, nun ist er seit 35 Jahren fast rund um die Uhr vor Ort – von 5 bis 18 Uhr. „Auch viele Autos haben an der Berliner Straße oft kurz gehalten, um schnell etwas bei mir zu kaufen. Aber unsere Stammkunden halten uns glücklicherweise die Treue“, sagt er. Dennoch sei das Geschäft um 50 bis 60 Prozent eingebrochen. „Das ist wirklich eine schwierige Zeit für uns.“

Die Bauarbeiten an der U-Bahnlinie U6 dauern eben viel länger als ursprünglich geplant. Die nördliche Strecke der U6 wird unter Vollsperrung saniert, und seit November 2022 rollen die Schienenersatzbusse über die Berliner, Seidel- und Scharnweberstraße von Tegel bis zum „Kutschi“. Der Bahnhof ist großräumig abgesperrt.

Eigentlich sollten die Bauarbeiten im Mai 2025 beendet sein, doch die Maßnahmen verzögern sich. „Die Sanierung des Abschnitts zwischen Alt-Tegel und Kurt-Schumacher-Platz umfasst eine grundlegende Erneuerung der Dammstrecke, die über 60 Jahre in Betrieb war“, erklärt BVG-Pressesprecher Markus Falkner. „Durch Einsprüche im Vergabeverfahren und durch neue gesetzliche Rahmenbedingungen, insbesondere die neue Ersatzbaustoffverordnung, sind Verzögerungen entstanden“, sagt Falkner. „Dazu wurden während der laufenden Baumaßnahmen an den alten Betonbauwerken neue Schadensbilder festgestellt, die zusätzliche Sanierungsarbeiten erforderlich machen. Diese Faktoren, zusammen mit der angespannten Marktsituation und längeren Materiallieferzeiten, führen zu einer längeren Bauzeit als ursprünglich geplant. Aktuell gehen wir davon aus, dass die erforderlichen Arbeiten im zweiten Halbjahr 2026 abgeschlossen sein werden. Einen genauen Eröffnungstermin können wir gegen Ende 2025 nennen.“

Drei Jahre hinter dem Zeitplan

Die BVG sucht derzeit ein Unternehmen, das den Ersatzverkehr bis 12. Dezember 2026 übernimmt. Könnten die Bauarbeiten tatsächlich noch bis Dezember 2026 andauern? Die BVG erklärt: „Das in der Ausschreibung genannte Leistungsende für den Ersatzverkehr entspricht nicht automatisch dem tatsächlichen Ende der Baumaßnahme“, sagt Louisa Mahnke, Trainee Pressesprecherin. „In derartigen Ausschreibungen wird stets ein Zeitpuffer eingeplant, um einen verlässlichen Ersatzverkehr sicherzustellen, falls es auf der Baustelle zu Verzögerungen kommt.“ Alle Tegeler Bürger und Geschäftsleute brauchen also weiterhin Geduld.

Geduldig müssen auch die Geschäftsleute entlang der U-Bahnlinie U8 sein, denn die Bauarbeiten an den U-Bahnhöfen Franz-Neumann-Platz und Residenzstraße verlängern sich immer wieder. 

Ein verhülltes Gebäude an einer Straßenecke.
Der U-Bahnhof Residenzstraße bleibt voraussichtlich noch bis Ende des Jahres verhüllt. Seit Februar 2021 ist das so.

Die Sperrungen und Umbaumaßnahmen zu barrierefreien U-Bahnhöfen haben im Februar 2021 begonnen und sollten im zweiten Quartal 2022 abgeschlossen sein. Ein Ende der Bauarbeiten wurde immer wieder nach hinten verschoben. Jetzt heißt es auf dem Schild am Bauzaun, dass der Aufzugseinbau am 30. September 2025 beendet sein soll. Der Ärger ist groß – vor allem bei den Geschäftsleuten. Denn seitdem die Zugänge geschlossen sind, bleiben viele Kunden aus. Fahrgäste steigen notgedrungen woanders aus der U-Bahn, suchen sich neue Wege oder nehmen die S-Bahn. Die Einbußen sind riesig, und jeder weitere Monat der Bauverzögerung schmerzt in der Kasse. So auch im Back-Corner an der Ecke Resi/Emmentaler Straße und in der Neuen Apotheke an der Residenzstraße 137. Ein Jahr könne man noch verkraften, aber vier oder fünf? So musste die Apotheke sogar zwei Mitarbeiter entlassen.

Die BVG nennt nun ein Ende der Bauarbeiten noch für dieses Jahr: „In den südlichen Ausgängen des U-Bahnhofs Residenzstraße werden derzeit die Treppenanlagen erneuert und ein zweiter Aufzug installiert“, erklärt Mahnke von der BVG. „Die Wiedereröffnung der zwei Ausgänge ist voraussichtlich Ende September beziehungsweise Mitte Dezember dieses Jahres geplant.“

Zwar bleibt der U-Bahnhof Franz-Neumann-Platz während der gesamten Bauzeit über mehrere Ausgänge zugänglich. Allerdings sind nach Angaben von Louisa Mahnke zwei Ausgänge aufgrund umfassender Erneuerung vorübergehend gesperrt. „Davon wird ein Ausgang voraussichtlich Ende dieses Monats wieder geöffnet. Der zweite Ausgang befindet sich seit Januar in Sanierung und soll Anfang des kommenden Jahres wieder zur Verfügung stehen.“

Christiane Flechtner

Christiane Flechtner ist seit mehr als 30 Jahren als Journalistin und Fotografin in Reinickendorf und auf der ganzen Welt unterwegs. Nach 20 Jahren bei der Lokalzeitung Nord-Berliner ist sie seit der ersten Ausgabe mit im Team der Reinickendorfer Allgemeinen Zeitung und anderer Verlagsmedien. Sie arbeitet außerdem als freie Journalistin und Fotografin bei „Welt“, Berliner Zeitung und anderen Zeitungen in Deutschland, Österreich und Luxemburg sowie für u. a. Reise-, Wander- und Tiermagazine.