RAZ. Ein Begriff. Zwei Medien.

Eine technische Anlage mit mehreren grünen Zylindern, aus der Vogelperspektive fotografiert.
Die 2022 gebaute PFAS-Anlage in Tegel auf dem Gelände des Wasserwerks an der Bernauer Straße. Foto: BWB

PFAS-Chemikalien: Nützlich, aber auch gefährlich

Kontamination des Grundwassers wurde bereits 2019 im Wasserwerk Tegel nachgewiesen

Tegel/Bezirk – Sie stecken in Kleidung, Kaffeebechern und Kosmetik – und deshalb auch in der Luft, im Wasser, im Boden und in Lebewesen: PFAS-Chemikalien sind nützlich, aber auch äußerst gefährlich. Die vier Buchstaben stehen für per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen – und beinhalten rund 10.000 Industriechemikalien. Sie haben die besondere Eigenschaft, wasser-, fett- und schmutzabweisend und gleichzeitig chemisch und thermisch stabil zu sein. Sie gelten als Ewigkeits-Chemikalien, denn sie sind biologisch nicht abbaubar. Das heißt, sie reichern sich überall in der Umwelt an. Und für einige der Chemikalien ist bereits nachgewiesen, dass sie Krebs und Hormonstörungen verursachen sowie die Leber und das Immunsystem schädigen können. Einige Chemikalien sind deshalb bereits in der EU verboten, und es steht im Raum, PFAS komplett zu verbieten.

Bezirksverordnetenversammlung fordert Maßnahmen

Die PFAS-Kontamination im Grundwasser war 2024 in der Oktober-Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Reinickendorf Thema: Auf Initiative der Grünen-Fraktion beschlossen die Verordneten, das Bezirksamt solle sich dringlich dafür einsetzen, dass schnellstmöglich geeignete Maßnahmen ergriffen werden, um das Problem der im Wasserwerk-Tegel nachgewiesenen PFAS-Kontamination des Grundwassers zu beseitigen.

Ursprung der Belastung: Löschübungen am Flughafen Tegel

Die RAZ fragte bei den Berliner Wasserbetrieben und der Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt nach. Michael Herden, Pressesprecher in der Senatsverwaltung, erklärt: „Erhöhte PFAS-Konzentrationen wurden erstmals Ende 2019 durch die Berliner Wasserbetriebe in zwei Trinkwasserbrunnen des Berliner Wasserwerks Tegel festgestellt und der zuständigen Bodenschutzbehörde gemeldet.“ Die Ursache: Bei Löschübungen wurden auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Tegel PFAS-haltige Löschschäume eingesetzt. Die Übungen wurden zwischen 1976 und 1999 mehrmals jährlich von der Flughafenfeuerwehr durchgeführt und sind Hauptursache der PFAS-Kontamination auf dem nördlichen Areal des ehemaligen Flughafens Tegel.

Auswirkungen auf das Wasserwerk Tegel

Stephan Natz, Pressesprecher der Berliner Wasserbetriebe (BWB), fügt hinzu: „Als Haupteintragsort wurde ein ehemaliges Löschübungsbecken identifiziert. Das dort belastete Grundwasser strömt zu fünf Grundwasserbrunnen des Wasserwerks Tegel. Der zweithöchste Eintrag hat an der Feuerwache Süd auf dem zivilen Geländeareal stattgefunden und beeinträchtigt drei weitere Grundwasserbrunnen.“

Maßnahmen zur Reinigung des Trinkwassers

PFAS können im Wasser gemessen werden und auch aus dem Wasser entfernt werden. Das geschieht über Aktivkohlefilter. In diesem Zusammenhang führen die Berliner Wasserbetriebe Analysen von Trink-, Grund-, Oberflächen- und Abwasserproben durch – auch, und besonders, am Standort Wasserwerk Tegel, wo die Konzentrationen höher sind als an anderen Wasserwerken. „Das PFAS-Thema in Tegel ist leider schon lange bekannt und wir haben aus Verantwortung für das Berliner Trinkwasser auf eigene Kosten 2022 eine Anlage errichtet, die PFAS aus dem Grundwasser entfernt und damit zugleich auch eine Ausbreitung des Schadstoffherdes verhindert“, sagt Natz.

Die Anlage reinigt in zwei Filterstraßen 150 Kubikmeter Grundwasser in der Stunde. Das gereinigte Wasser wird zu den Grundwasseranreicherungsbecken geleitet, versickert dort und wird so wieder dem Wasserkreislauf zugeführt. In die Reinigungsanlage haben die Berliner Wasserbetriebe 2,5 Millionen Euro investiert, die laufenden Kosten betragen zirka 750.000 Euro im Jahr.

Langwierige Untersuchungen bis 2026

Für die Flächen auf dem ehemaligen Flughafengelände sind die Bundeswehr und die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) und die Tegel Projekt GmbH verantwortlich. Diese haben zwar Erkundungsmaßnahmen im Boden und im Grundwasser durchgeführt, die standortspezifische Schadenserkundung dauert aber an – mit einem Ergebnis wird bis 2026 gerechnet. Erst dann kann eine sogenannte „behördliche Gefährdungsbeurteilung“ vorgenommen werden, um Sanierungsmaßnahmen anzuordnen.

Christiane Flechtner

Christiane Flechtner ist seit mehr als 30 Jahren als Journalistin und Fotografin in Reinickendorf und auf der ganzen Welt unterwegs. Nach 20 Jahren bei der Lokalzeitung Nord-Berliner ist sie seit der ersten Ausgabe mit im Team der Reinickendorfer Allgemeinen Zeitung und anderer Verlagsmedien. Sie arbeitet außerdem als freie Journalistin und Fotografin bei „Welt“, Berliner Zeitung und anderen Zeitungen in Deutschland, Österreich und Luxemburg sowie für u. a. Reise-, Wander- und Tiermagazine.